Eltern müssen zahlen

1.400 Euro Strafe, weil Sohn zu oft zuhause ist

Stefan lebt in einer betreuten Einrichtung. Wenn er mehr als 70 Tage fehlt, wird das teuer. Die Volksanwaltschaft kämpft gegen die unfaire Regelung.

Wien Heute
1.400 Euro Strafe, weil Sohn zu oft zuhause ist
Volksanwalt Bernhard Achitz fordert die Abschaffung von Fehltags-Regelungen für Menschen mit Behinderungen.
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Stefan S. (41) lebt seit fast zwei Jahren in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Feiertage, Urlaube und jedes Wochenende verbringt er bei seinen Eltern. Dafür mussten sie vergangenes Jahr 1.400 Euro zahlen, denn die Zahl der "erlaubten" Abwesenheitstage ist mit 70 pro Jahr begrenzt. So sehen das die Förderbedingungen des Heimträgers, Fonds Soziales Wien (FSW), vor.

Stefans Eltern haben sich an die Volksanwaltschaft gewandt. "Das widerspricht dem Recht auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben, wie es von der UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen ist. Und es ist ungerecht, denn die Anwesenheitspflicht gilt faktisch nur für Menschen, die sich die 'Strafzahlung' für Fehltage nicht leisten können", sagt dazu Volksanwalt Bernhard Achitz.

Volksanwalt gegen Abwesenheits-Regel

Nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern gibt es ähnliche Regelungen. Viele Menschen mit Behinderung leben in Wohneinrichtungen – möglichst eigenständig, aber doch betreut. Wenn die Bewohner eine bestimmte Anzahl von Tagen nicht im Wohnheim sind, müssen die Familien deswegen oft ziemlich viel Geld bezahlen.

Die Fördergeber sagen, solche Regelungen wären notwendig, weil man wolle, dass die Bewohner möglichst viel Zeit in den Einrichtungen verbringen, weil es dort Betreuungspersonal gebe, das mit Steuergeld bezahlt werde, und man müsse effizient mit diesen Mitteln umgehen.

Für Volksanwalt Achitz ist das Argument grundsätzlich nachvollziehbar, allerdings gebe es ohnehin eine strenge Bedarfsprüfung. "Nur wer einen solchen Wohnplatz braucht, bekommt ihn auch. Dann hat er dort seinen Lebensmittelpunkt, und daran ändert sich auch nichts, wenn man am Wochenende zu Verwandten fährt", so Achitz. Er fordert von den Bundesländern die Abschaffung solcher Abwesenheitstags-Regelungen.

FSW kündigt eine Neuerung an

Nicht nur in Wohneinrichtungen, auch in "Werkstätten" können Betroffene ihren Platz verlieren, wenn sie wegen Urlaub und vor allem wegen Erkrankungen zu oft abwesend sind. "Das ist so, als ob bei Angestellten der Urlaubsanspruch verfallen würde, wenn zu viele Krankenstandstage benötigt werden", sagt Volksanwalt Achitz.

Für Werkstätten – nicht aber für Wohneinrichtungen – kündigte der FSW in der ORF-Sendung "Bürgeranwalt" nun eine Neuregelung an: Künftig sollen 30 Fehltage für Urlaub und 50 für Krankheit erlaubt sein; Krankenhausaufenthalte sollen nicht in dieses Kontingent fallen. "Es freut mich sehr, dass es hier einen Fortschritt gibt", so der Volksanwalt. Diese Krankenstandsregelung sei ein Schritt in Richtung der von der Volksanwaltschaft geforderten sozialversicherten und entlohnten Arbeitsplätze. Sie sollen die Werkstatt-Plätze ersetzten, in denen die Menschen mit Behinderung nur ein Taschengeld bekommen.

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    Auf den Punkt gebracht

    • Volksanwalt Bernhard Achitz kritisiert die Regelung des Fonds Soziales Wien (FSW), die die Anzahl der erlaubten Abwesenheitstage für Menschen mit Behinderung in Wohnheimen auf 70 pro Jahr begrenzt und fordert deren Abschaffung
    • Er argumentiert, dass diese Regelung das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben einschränkt und sozial ungerecht ist, da sie vor allem jene trifft, die sich die Strafzahlungen nicht leisten können; eine Neuregelung für Werkstätten sieht nun 30 Fehltage für Urlaub und 50 für Krankheit vor
    red
    Akt.