Wirtschaft
"Ohne Drohnenbilder bist du heutzutage verloren"
In Top-Lage in der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs diskutieren die Top-Experten des Landes im Rahmen der "Heute"-Gipfelgespräche über die Top-Trends. Dieses Mal zum Thema Wohnbau und Projektentwicklung.
Ob Luxus-Penthouse um wohlfeile 13,2 Millionen Euro oder leistbare 2-Zimmer-Mietwohnung, die Nachfrage nach Wohnraum im urbanen Bereich ist ungebrochen groß. 10 Branchenprofis geben Einblick in den Wohnungsmarkt und zeigen Zukunftschancen auf. „Heute"-Chefredakteur Christian Nusser moderierte den Talk im Meliá-Tower.
Christian Nusser: Was uns medial beschäftigt hat, ist der Verkauf dieser Wohnung um 13,2 Millionen Euro in Wien-Alsergrund. Herr Ulm, das ist Ihr Objekt, sagt das etwas aus über den Zustand des Immobilienmarkts in Wien?
Peter Ulm: Ein Verkauf dieser Wohnung ist für mich eine Bestätigung, dass gut gemachter Luxuswohnbau in Wien einen Markt hat. Wir haben einen Markt, der sich stark spreizt zwischen den leistbaren oder wirtschaftlich gepreisten Wohnungen und Luxuswohnungsbau. Diese teuren Wohnungen sind nicht unendlich multiplizierbar, repräsentativ ist ein Verkauf um über 13 Millionen nicht.
Nusser: Wir haben in Österreich ein durchschnittli- ches Nettoeinkommen von 1.500 Euro, wie viele Käufer findet man in diesem Segment?
Christoph Stadlhuber: Es gibt genug Käufer in diesem Segment und es sind nicht nur die Russen. Ungefähr die Hälfte geht an klassische Österreicher, die sich so etwas leisten. Aber das Thema ist: Das Produkt muss passen! Der Luxuskäufer verlangt ein echtes Luxusprodukt und da darf es keine Abstriche geben. Da ist die Herausforderung die optimalen Objekte zu finden. Das wird immer schwieriger.
Kluft leistbares Wohnen und Luxus
Nusser: Frau Bauernfeind, Sie vermitteln etwa 1.000 Wohnungen pro Jahr. Was hat sich in den vergangenen Jahren geändert?
Sandra Bauernfeind:Unser Angebot reicht von der 1-Zimmer-Mietwohnung bis zu Wohnungen um 13,2 Millionen. Interessant ist: Trotz dieser Nachfrage nach Eigentum sehen wir nicht, dass es zu Lasten der Miete gehen würde. Beides ist getrieben durch die hohe Nachfrage nach Wohnraum.
Andreas Holler: Die Grundproblematik ist, dass es keine Grundstücke in Ballungsräumen gibt, damit ich überhaupt leistbar bauen kann. Wir sehen eine Verdreifachung bis Vervierfachung der Preise in den letzten fünf Jahren. Wenn nicht etwas getan wird, Baulandmobilisierung oder irgendetwas in diese Richtung, sehe ich eine riesige Problematik im leistbaren Segment.
Vervierfachung der Preise in fünf Jahren
Nusser: Herr Größ, in der Lindengasse kostet eine Garage bis zu 60.000 Euro. Wer sind denn da die potenziellen Interessenten?
Erwin Größ: Wir haben nicht nur die russischen Käufer, es ist ein Mix aus Anfragen. Es ist genug Geld da, das investiert werden will. Die Lage im 7. ist bestechend, was die Stellplätze betrifft. Um Ihre Frage zu beantworten: Das ist schon auch Angebot und Nachfrage, die regelt dort den Markt.
Lukas Sykora: Wir merken derzeit, dass die Nachfrage gigantisch ist. Jedoch haben die Leute nicht mehr Geld im Portemonnaie als vor zwei oder drei Jahren, und die Preise steigen. Jeder kann teuer kaufen, jeder kann teuer bauen, jeder kann teuer verkaufen, das Thema ist, dass es am Markt Häuser gibt, die leer stehen, fertig und schön hergerichtet, aber es bedeutet nicht verkauft. Das wollen wir nicht haben. Wir haben schon zu kämpfen, entsprechenden Rohstoff für die Firma zu bekommen.
Die Schnellen fressen die Langsamen
Nusser: Wenn wir einen kurzen Blick auf den Einfamilienhausbereich werfen, Herr Messar sind die Selbstbauer weniger geworden?
Stefan Messar: Wir sind eigentlich auch bei den Häusern ein Bauträger, wir verkaufen mit dem Grundstück. Prinzipiell liegen wir pro Haus bei ungefähr 600.000 Euro, das ist jetzt auch nicht so wenig, muss man sagen. Ich hätte nicht den Eindruck, dass unsere Kunden es wünschen würden, es selbst zu bauen,m geschweige denn in der Lage wären. Es ist etwa in Wien mit den ganzen Bestimmungen für einen Privaten sehr, sehr schwer.
Nusser: Herr Ascherov, wie erlebt man den Markt als kleinerer Player?
Roman Ascherov: Wir haben etwa 2013 um 330 Euro den Quadratmeter baugenehmigt von der Raiffeisen Evolution
gekauft. Danke nochmals! Heute musst du danke sagen, wenn du ein Grundstück bekommst, das nicht baugenehmigt ist und auf die gewichtete Nutzfläche 1.000 Euro kostet. Es gibt einen wichtigen Satz, den ich mir immer wieder vor Augen halte: Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen!
Die Heute- Gipfelgespräche:
Zum mittlerweile dritten Mal präsentiert Ihnen Heute hiermit die neue Veranstaltungsreihe Gipfelgesprä- che, in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den Heute-Leserinnen und Lesern, zu teilen.
Nusser: Apropos schnelle Entscheidungen, Herr Predl, wie lange hatten Sie denn Zeit, sich fürs Gartenhotel Altmannsdorf zu entscheiden?
Peter Predl: Ich bin als letzter zur Angebotsrunde gekommen und kannte das Objekt sehr gut. Das Renner-Institut wird unsere neue Firmenzentrale. Im Gartenhotel bietet sich eine Art Generationenwohnen-Modell an, oder es könnte in die Richtung Studentenheim gehen.
Nusser: Wie finden Sie denn Ihre Grundstücke?
Predl: Das passiert für mich etwa über ein jahrelang aufgebautes Netzwerk. Ich bekomme am Tag ungefähr 10 bis 20 Angebote. Auch mit bekannten Maklern funktioniert es sehr gut.
Der Wohnungskauf ist emotionsgetrieben
Beck: Jede Quelle wird angezapft! Mitarbeiter werden aufgefordert, die Ohren offen zu halten, jeder Kanal, der verfügbar ist, muss angebohrt werden, damit man zu attraktiven Grundstücken kommt.
Nusser: Wie kommt man am besten an den Kunden heran?
Stadlhuber: Wohnungsverkauf ist immer Emotion. Wir verkaufen ja zum Großteil Produkte zu einem Zeitpunkt, wo es das Produkt noch gar nicht gibt. Ich muss es über eine 3D-Visualisierung komplett über virtuelle Welten spielen, dann komme ich frühzeitig an den Kunden. Das Wichtigste ist, wie ist der Blick hinaus. Ohne perfekte Drohnenbilder, wenn noch keine Kräne stehen oder von Fotos bei Tag und Nacht oder Jahreszeiten-Abgleich, Schattenwurf und so weiter, bist du heutzutage verloren.
Beck: Jede Wohnung ist ein eigenes Thema. Der Kunde spürt ganz genau: Ist diese Wohnung zu teuer, ist sie günstig? Und wenn sie den Tick günstiger ist als der Marktvergleich, wird sie schneller gekauft. Und da ist es letztlich egal, wo sie liegt.
Ulm: Früher bist du mit einem Quadratmeterpreis die Stockwerke rauf- und runtergegangen, heute wird jede Wohnung individuell gepreist.
Perfekte Drohnenbilder für 3d-Visualisierung
Nusser: Kann man die Objekte dann noch vergleichen?
Bauernfeind: Die Online-Portale machen den Markt derart transparent, dass die Kunden, die kommen, perfekt Bescheid wissen.
Holler: Die Kunden wissen mittlerweile auch, wer ist die Baufirma, hat die einen guten Namen? Und die Ausstattung wird sowieso verglichen. Mittlerweile ist es so, dass Kunden mit eigenen Anwälten, Ziviltechnikern, Beratern kommen.
Beck: Wenn heute jemand 600.000 Euro in eine Wohnung investiert, dann zahlt er die paar Tausender für einen Sachverständigen noch dazu.
Sykora: Auch Anrainerverfahren sind nicht berechenbar. Früher hat man sich ausgesprochen, mittlerweile kommen alle mit dem Ziviltechniker und Rechtsanwalt und versuchen, Stimmung zu machen, weil sie wissen, da ist irgendetwas zu holen.
Predl: In den vergangenen zehn Jahren hat sich in Wien ein Markt für Ziviltechniker eröffnet, indem sie aktiv auf Anrainer zugehen und ihnen anbieten, aus einem Bauvorhaben Profit zu schlagen.
Nachfrage nach Professionisten
Nusser: Wünsche an die neue Bundesregierung? Mietzinsobergrenzen?
Bauernfeind: Keiner von uns geht mehr davon aus, dass er noch eine wirkliche Reform des Mietrechts erlebt. Das Mietrecht, das wir in Österreich haben, historisch bedingt über 100 Jahre, ist eines der kompliziertesten überhaupt. Wir haben auch ausländische Investoren, die interessiert sind, Zinshäuser zu kaufen. Die drehen gleich wieder um, wenn man ihnen die Grundzüge erklärt. Wir gehen davon aus, dass überhaupt 40.000 Wohnungen leer stehen, weil sie einfach gehortet werden von den Mietern, die einen ausgesprochen günstigen Mietzins haben – teilweise unter 1 Euro pro Quadratmeter – oder schlichtweg nicht vermietet werden, weil einfach das Mietrecht zu kompliziert ist.
Nusser: Was sollte mit diesen 40.000 Wohnungen passieren?
Bauernfeind: Dem Markt zugänglich machen! Zu überprüfen, wer wohnt dort wirklich. Da müssen auch die Eigentümer und die Hausverwaltungen einmal drauf schauen. Das gilt genauso für Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen.
Predl: Wünsche? Jedes Objekt wurde bei uns von der eigenen Firma gebaut. Was man als Baumeister heute alles umsetzen muss in puncto Brandschutz, verteuert einen Wohnbau von der Baumeisterseite her extrem. Die Baukosten sind teuer geworden durch Fluchtwege, Rettungsbalkone oder Direktanschlüsse.
Holler: Es gibt ja nicht zu wenig Baumeister, sondern bei den Subunternehmern wie Installateur, Schlosser ist das Kernproblem.
Nusser: Will das niemand mehr machen oder ist das so schlecht bezahlt?
Messar: Schlicht die Nachfrage ist zu hoch!
Sykora: Die Baufirmen haben die Handwerker nicht mehr bei sich, sondern die werden zugekauft. Mittlerweile bleiben auch die Ungarn zu Hause – dort wird auch viel gebaut –, und die Polen sind in Deutschland, den einheimischen Markt haben wir eigentlich nicht. Wenn sie die Leute unbedingt haben möchten, dann zahlen sie einfach mehr. Das muss dann im Projekt auch einmal verkraftet werden.
Nusser: Lässt sich daraus eine politische Forderung ableiten?
Predl: Man muss den Arbeitskräftemangel am Bau beheben. Ich habe immer offenen Stellen, finde keine Leute. Wir zahlen sogar sehr gut, aber teilweise sind die Qualifikationen ganz einfach nicht da. Schweißer, Installateure, Fliesenleger, das ganze Spektrum wird gebraucht.
Arbeitskräftemangel am Bau beheben
Nusser: Ein Blick in die Zukunft - welcher Wohnungstyp könnte in fünf Jahren am meisten nachgefragt werden?
Holler: Wir versuchen, die Projekte so flexibel wie möglich zu gestalten. Die Menschen wohnen etwa kürzer in einer Wohnung als früher. Wir versuchen daher, flexible Grundrisse zu gestalten, die lang anhalten.
Beck: Warum werden derzeit so viele Wohnungen überhaupt verkauft? Es sind einfach sehr viele Anleger vorhanden, die die niedrige Zinslandschaft in die Wohnungen hineindrängt. Bei steigenden Zinsen wird es wieder eine Reihe von Wohnungen geben, die auf den Sekundärmarkt drängen. Dann wird auch die Neubauleistung geringer werden. Die Leistbarkeit des Wohnraums wird sich sicherlich auf die Wohnungsgröße auswirken, sodass wir in Hinkunft im Schnitt kleinere Wohnungsgrößen haben werden. Allerdings mit einem Zusatzangebot an allgemein nutzbaren Flächen.
Ulm: Wir gehen eigentlich wieder zurück, wo wir hergekommen sind. Ich kann mir vorstellen, dass sich der Mietanteil in Wien noch um einiges erhöhen wird in den nächsten Jahren, auch aufgrund der Mobilität der Menschen. Es wird gar nicht anders gehen, als zum alten Zinshaus-Wohnkonzept zurückzugehen mit effizienten, flexiblen Grundrissen und tollen gemeinschaftlichen Einrichtungen. Die Mobilität wird sich dramatisch verändern, Stellplätze werden nicht mehr notwendig. Wenn ich mir viel an Tiefgeschoßen spare, kann ich auch wieder günstiger bauen.
Bauernfeind: Das höchste Ziel sollte sein, dass man die Neubauproduktion ankurbelt. Denn eine Mietregulierung auf eine Wohnung, die es nicht gibt, nützt den Wohnungssuchenden nämlich gar nichts.
Größ: Wir sollten nicht bei der Wohnung zu denken aufhören, die Lebenskonzepte werden vielfältiger. Unsere ganzen Immobilien müssen vielfältiger und flexibler werden.
Nusser: Danke für die spannende Diskussion!