Szene
"Licht"-(Blick) des österreichischen Films
Barbara Alberts Historiendrama zeigt die Licht-und Schattenseiten der österreichischen Gesellschaft um 1770.
"Zwischen Licht und Schatten" könnte man das Leben der 18-jährigen Maria Theresia Paradis (Maria Dragus) bezeichnen. Im frühen Kindesalter erblindet, lernte das resolute Mädl schon bald die Notwendigkeit, etwas voll und ganz zu beherrschen, um in der Wiener Gesellschaft - als Aussenseiter -bestehen zu können. So wurde aus dem blinden, kranken Mädchen ein (zwar nicht wirklich ansehnliches), jedoch durchaus begabtes Musikgenie. Mit Schuld an dieser Gabe haben mit Sicherheit die höchst ehrgeizigen und zutiefst oberflächlichen Eltern Paradis.
Gesellschaftliche Profilierung
Katja Kolm gibt in "Licht" fantastisch dargestellt einen bittersüßen Einblick in die Zwiegespaltenheit einer Mutter, die einerseits nach gesellschaftlicher Anerkennung lechzt und andererseits Mutter eines ganz "normalen" Kindes sein möchte. Kolm steht diese Rolle vorzüglich, man könnte sagen, sie ist ihr auf den Leib geschrieben.
Eine liebende Mutter sieht bei Gott anders aus. „Lacheln, Theres, und nicht so wackeln! Du wackelst schon wieder so!" flüstert sie ihrem "aufg'maschelten" Kind zu, wenn sich diese bei einem Kammermusikabend von der Musik mitreißen lasst. Die Nähe zu ihrer Tochter ist ihr höchst unangenehm, das Kind dient mehr zur gesellschaftlichen Profilierung. Die Kostüme von Veronika Albert: Ein Traum. Das Szenenbild ebenso. Fast gleicht der Film einem Gemälde, das sich flüchtig ins Gehirn einprägt und dort Spuren der Erkenntnis (über den Wert eines Menschen) hinterlässt.
Das Wunderkind wird vorgeführt
Der Vater (Lukas Miko): ein Maulheld, der nicht ganz weiß, wie er mit dieser Situation umgehen soll, aber groß das Maul aufreißt. Ist er jetzt stolz oder angewidert? Man weiß es nicht. Imponieren ist die Devise und dazu geht man weit, lässt das musikalische Kind als eine Art "Schauobjekt" brav in die Klaviertasten hauen während diese beinahe peinlich ihre blutroten Augen verdreht. Mit Hilfe des umstrittenen Dr. Franz Anton Mesmer (David Striesow) soll aus dem blinden Kind ein "vollwertiges" Mitglied der Gesellschaft gemacht werden. So vertrauen die Eltern Theres dem - für die damalige Zeit - eher ungewöhnlichen Arzt an. Heute wäre Mesmer wohl so eine Art "Reiki-Meister" und Homöopath.
Vom Schatten ins Licht
Im Hause Mesmers erfährt die junge Musikerin erstmals was es heißt, unabhängig und frei (von Bevormundung) zu sein. Die Zeit zwischen Rokoko und Aufklärung musste für viele junge Frauen höllisch anstrengend gewesen sein. Vielleicht ein wenig wie der Übergang von den verklemmten 195oer-Jahren in die doch recht sexuell offenen 60er und 70er-Jahre. Klar, dass in dem jungen Mädl schon bald eine große Sympathie für ihren Arzt aufkeimt. Und aus eben diesem Grund geschieht das Wunder: Theres beginnt immer mehr aus der Schattenseite ins Licht zu treten, nicht jedoch ohne die neue "Sichtweise" auch als "blendend" unangenehm zu empfinden.
Freundschaft zum Stubenmädl, Gefühle für den Doktor
Ihre erste richtige Freundschaft entsteht zu dem Stubenmädl Agnes (großartig: Maresi Riegner) , die sich kein Blatt vor den Mund nimmt, gerne ebenso "schick auf'gmaschelt" wär' und mit ihrer jungendlichen Natürlichkeit, den Männern der höheren Gesellschaft den Kopf verdreht, bis sie geschwängert wird und schließlich den Hof der Mesmers verlassen muss. Berührend auch Stefanie Reinsperger als Köchin Johanna, die ihren kleinen (verkrüppelten) und doch so liebenswerten Sohn bei einem Unfall verliert und zwischen tiefster Trauer und den Worten "es ist doch eh besser so" gefangen ist.
Mehr Sehkraft, weniger Talent
Viel tragischer jedoch ist, dass Resi schon bald bemerkt, wie mit jeder Verbesserung ihrer Sehkraft auch ihre musikalischen Fähigkeiten schwinden. Erneut als "Wunderkind" im Hause der Mesmers vorgeführt , wird den "feinen" Leuten schnell klar, dass da etwas ganz gewaltig nicht stimmen kann. Ihr einstiger Haus- und Hofarzt läßt sich von Mesmers Praktiken nicht blenden, wirft Gerüchte in den Raum, dass dieser ein Betrüger sei. Und wer springt natürlich als erstes auf diesen Zug auf (vor allem weil man ja einen Sündenbock braucht ob des schwindenden Talents des Fräulein Tochter)? Genau, die lieben Eltern "Paradis".
Blick auf die gesellschaftlichen Abgründe
Die Wiener Regisseurin Barbara Albert hat in ihrem Film, der auf einer historischen Begebenheit beruht, viel über Sein und Schein der (österreichischen) Gesellschaft aufgezeigt. Was zählt ein Mensch, wenn er anders ist, als die Norm. Was muss er können/leisten, um dennoch eine Existenzberechtigung zu haben? Was passiert aus Kindern, denen seit jeher die elterliche Liebe verweigert wird? Fragen über Fragen, die auch dieser Film nicht eindeutig klären kann, der es aber gekonnt schafft, auch dem Zuseher gewisse Lichtblicke und differente Sichtweisen in ein Menschenleben zu geben, der das beste aus sich rausholt, trotz der Konventionen, Zwänge und Lieblosigkeit. Als Theres wieder im Elternhause wohnt und ihre Sehkraft verliert, kommen auch ihre musikalischen Fähigkeiten zurück. Und das sagt doch eigentlich schon alles aus, oder? In diesem Sinne, nicht wegschauen, aber öfter mal die Augen schließen und durchatmen.
Filmstart ist am 10. November in den heimischen Kinos. Aktuell wurde der Film im Rahmen der diesjährigen Viennale präsentiert.