Österreich
"...Killer meiner Tochter: Ich liebe ihn trotzdem"
Das Herz einer Mutter verzeiht offenbar alles. Im "Heute"-Gespräch sagt Hirut A.: "Mein Sohn hat meine Tochter getötet. Ich kann ihn trotz der Trauer nicht hassen."
Sie sitzt zu Hause im äthiopischen Babill, 8.000 Kilometer von Wien entfernt, als das Handy läutet. Sechs Monate nach dem schrecklichsten Tag in ihrem Leben gibt Hirut A. "Heute" ein Interview. Wir sprechen über Facetime auf Englisch.
Immer wieder braucht die 55-Jährige Pausen, weil sie weinen muss. Man kann nur erahnen, wie sie emotional zwischen der Trauer um ihre Tochter, der Wut auf ihren Sohn und unendlicher Liebe für beide hin- und hergerissen ist.
Wie berichtet, soll ihr Eyob in Wien seine eigene Schwester erstochen haben. Die beiden hatten bei Adoptiveltern in Spanien gelebt, bis Eyob mit 18 Jahren als Koch in Österreich zu jobben begann.
Zur leiblichen Mutter pflegten beide lange kaum Kontakt, erzählt diese: "Als mein Bub neun Jahre alt war, musste ich ihn schweren Herzens hergeben, weil ich schwer krank geworden war." Zwei Jahre später adoptierte Eyobs neue Familie auch Eyerus, schildert Hirut A.
"Es mangelte den beiden in Spanien an nichts, aber im Sommer 2018 sehnte sich Eyob nach seinen Wurzeln. Meine Kinder besuchten mich erstmals seit elf Jahren in Äthiopien. Wir
hatten eine tolle Zeit. Doch danach ging es mit Eyob bergab."
Der 21-Jährige wurde aggressiv, trainierte exzessiv und nahm Drogen. Im Jänner soll er dann seine Schwester am Hauptbahnhof im Wahn getötet haben. Mama Hirut schluchzt: "Eyob ist laut seinen Ärzten seelisch sehr krank. Er ist aber kein schlechter Bub, daher kann ich ihm auch gar nicht böse sein. Ich liebe ihn genauso, wie ich um seine Schwester trauere."
Traurig fügt sie an: "Ich würde ihn so gerne in der Haft besuchen. Er leidet dort unter dem, was er angerichtet hat, und ist ganz alleine. Leider habe ich kein Geld."
Nächsten Samstag feiert Eyob E. seinen 22. Geburtstag – in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Der Koch soll am 15.1.2019 mit einem Küchenmesser neun Mal auf seine Schwester Eyerus eingestochen haben. Sie verblutete qualvoll am Hauptbahnhof. Ihr Bruder war laut nun eingelangtem Antrag der Staatsanwaltschaft Wien nicht zurechnungsfähig. Er leidet laut Psychiaterin Gabriele Wörgötter "an einer paranoiden Schizophrenie mit Entwicklung von Verfolgungs-, Größen- und religiösen Wahnideen".
Beim Prozess in wenigen Wochen wird nur über eine Anstaltsunterbringung, nicht über seine Schuld entschieden. Eyob E. wird von Astrid Wagner verteidigt. Die Unschuldsvermutung gilt.