Österreich
"Ich fühle mich als Bruno Kreisky der Neuzeit"
Natascha Kampusch spricht im Ö3-"Frühstück bei mir" über ihre Erinnerungen und über ihre Pläne. Sie möchte sich auch politisch engagieren.
Am 2. März 1998 wurde Natascha Kampusch als Zehnjährige auf dem Schulweg am Wiener Rennbahnweg in einen weißen Kastenwagen gezerrt – ein Verbrechen, das weltweit für Schlagzeilen sorgen sollte, nahm seinen Lauf. Zum 20. Jahrestag ihrer Entführung war Natascha Kampusch am Sonntag zu Gast in Ö3-"Frühstück bei mir". Im Gespräch mit Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl erzählte sie über die Momente, in denen sie die Zeit der Gefangenschaft heute noch einholt.
"Manches Mal, wenn ich im Halbschlaf bin, habe ich das Gefühl, dass ich doch noch im Verlies sein könnte. Meine ersten Gedanken sind dann: hoffentlich hat die kleine Elektro-Heizung nichts, weil immer wenn sie im Winter ausfiel, war es im Verlies sehr kalt, unter zehn Grad, das war in so einem kleinen Raum nicht angenehm. Ich bin aber dann sehr erleichtert, wenn ich ganz aufwache und mir klar wird, dass ich schon längst in Freiheit bin."
"Demütige und unterwürfige Haltung"
Was ihr heute besonders viel bedeutet? "In die Augen meines Gegenübers sehen zu dürfen, ist noch immer ganz besonders. Der Täter hat mir das ja nicht erlaubt, ich musste in Gefangenschaft ja immer auf den Boden starren, in der demütigen und unterwürfigen Haltung, die er von mir verlangt hat." An Wolfgang Priklopil, ihren Peiniger, denkt Kampusch jetzt, mit 30, nicht mehr zurück: "Ich erinnere mich nie an diese Person. Sie hat keinen Platz mehr in meinem Leben."
Trotz vieler Anfeindungen möchte sich Kampusch weiter öffentlich äußern: "Ich fühle mich als 'Bruno Kreisky der Neuzeit'. In absehbarer Zeit werde ich den Schritt in die Politik zwar nicht wagen, aber ich möchte mich mitkümmern um die Gesellschaft und Gedankenimpulse geben." Derzeit arbeitet die Schmuckdesignerin an neuen Projekten, möchte demnächst ihren ersten Roman schreiben. "Vielleicht das erste Buch, das nicht mehr mit meiner Geschichte in der Gefangenschaft zu tun hat."
"Dann schaue ich in die Sterne"
Viele Pläne, von denen Kampusch gesprochen hatte – wie ein Psychologiestudium zu beginnen, den Führerschein zu machen oder eine Goldschmied-Lehre abzuschließen – sind dann doch nicht von ihr realisiert worden: "Es geht ja darum, sich selbst zu entdecken und zu finden. Ich habe all diese Pläne zur Seite gelegt, wie man einen Pullover mit Hilfsnadeln absichert, und möchte sie wieder aufnehmen, wenn ich sie zur richtigen Zeit perfekt umsetzen kann. Ich habe ja auch Ausbildungen gemacht, von denen ich nie öffentlich erzählt habe. Praktika im sozialen Bereich zum Beispiel."
Erstmals präsentiert sich Kampusch auch von ihrer spirituellen Seite: "Es hat damit begonnen, als ich mehr in die Selbstanalyse gegangen bin und noch mehr über mich herausfinden wollte. Auch als ich feststellte, ich komme bei anderen Leuten nicht weiter. Dann habe ich ihre Geburtszeit erfragt und in ihrem Horoskop sieht man dann ihre Motive. Ich gönne mir den Luxus an Astrologie zu glauben." Viele Freunde würden sie auch um Rat fragen, "dann schaue ich in die Sterne oder lege Karten. Einerseits bin ich ja sehr spirituell esoterisch, andererseits aber auch sehr weltverbunden."
Der Traum von Traummann
In fünf Jahren möchte sie "ein Haus mit Garten oder eine Eigentumswohnung" besitzen und "ich hätte gerne einen geregelten Beruf und ein geregeltes Einkommen." Ihren aktuellen Beziehungsstatus möchte sie nicht definieren, wohl aber die Vorstellung ihres Traummannes: "Er soll gutaussehend, jugendlich wirkend und intelligent sein."
Ö3-"Frühstück bei mir" – das große Interview der Woche, Persönlichkeiten ganz persönlich – jeden Sonntag von 9 bis 11 Uhr im Hitradio Ö3 und zum Nachhören online auf oe3.ORF.at. (red)