Österreich

Kranker Wiener erhält nur 6,50 Euro täglich für Essen

Helene G. (73) pflegt ihren psychisch kranken Sohn. Diesem werden von der Erwachsenenvertretung nur 200 Euro monatlich für Verpflegung zugestanden.

Christine Ziechert
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Helene G. (73) erhält von der Erwachsenenvertretung monatlich 200 Euro für die Verpflegung ihres Sohnes.
Helene G. (73) erhält von der Erwachsenenvertretung monatlich 200 Euro für die Verpflegung ihres Sohnes.
Denise Auer/zVg

Vor rund 18 Jahren begann die Leidensgeschichte von Alexander K. (45): "Damals starb mein Vater, sein Opa. Danach hat er 17 Tage lang nur geweint", erzählt seine Mutter Helene G. im "Heute"-Gespräch. Der Wiener kam anfangs mit einer Angststörung in die Klinik Penzing (vormals Otto-Wagner-Spital), später wurde bei ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert.  

Aufgrund aggressiver Schübe wurde Alexander K. dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht – erst in Wien, dann in Ybbs (NÖ). Insgesamt vier Jahre verbrachte der 45-Jährige in Ybbs: "Das Ärzte- und Pflegerteam dort war wirklich bemüht, aber Alexander hat sich wie in einem Gefängnis gefühlt. Er hat zu mir gesagt: 'Mama, ich habe keine Kraft mehr. Ich will hier nicht verenden'", erinnert sich Helene G. 

"In der WG hat ihm die Geborgenheit gefehlt. Er ist zweimal von dort ausgerissen, wollte in der Nacht zu Fuß zu mir nach Hause" - Helene G. über ihren Sohn Alexander K.

Die 73-Jährige wollte ihren Sohn aus der Psychiatrie holen, kämpfte wie eine Löwin für einen Platz in einer Wiener Wohngemeinschaft, den Alexander K. 2019 schließlich erhielt. Doch auch dort fühlte sich der 45-Jährige nicht wirklich wohl: "Irgendwie hat ihm die Geborgenheit gefehlt. Er ist zweimal von dort ausgerissen, wollte in der Nacht zu Fuß zu mir nach Hause", erzählt Helene G.

Seit Dezember vergangenen Jahres lebt Alexander K. nun bei seiner Mutter in Wien-Wieden. Die 73-Jährige kümmert sich beinahe rund um die Uhr um ihren Sohn: "Ich gehe einkaufen, koche, putze, wasche und bügle die Wäsche. Bei der Körperpflege benötigt er noch Unterstützung. Da er Diabetes hat, messe ich außerdem seinen Blutzucker, begleite ihn bei  Arztbesuchen und mache Ausflüge mit ihm. Maximal zwei Stunden am Tag kann ich ihn alleine lassen", so Helene G.

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    45-Jähriger erhält 800 Euro monatlich

    Da Alexander K. besachwaltet ist, kümmert sich eine Erwachsenenvertretung des Vereins "VertretungsNetz" um seine finanziellen Belange. Laut Angaben seiner Mutter bezieht der 45-Jährige monatlich 379,40 Euro erhöhte Familienbeihilfe, 475,20 Euro Pflegegeld sowie 942,44 Euro Invaliditätspension – macht insgesamt knapp 1.800 Euro.

    Von diesen 1.800 Euro erhält der Wiener allerdings nur rund 800 Euro für laufende Wohn- und Lebenserhaltungskosten, der Rest wird auf einem mündelsicheren Konto deponiert: "In den 800 Euro sind zum Beispiel 200 Euro für Verpflegung enthalten. Das sind 6,50 Euro pro Tag! Das ist eine schäbige Lösung und nicht den heutigen Preisen angepasst", ist Helene G. wütend. 

    "Ich verstehe nicht, dass Familienbeihilfe und Pflegegeld nicht voll ausbezahlt werden. Dieses Geld soll doch direkt bei den Betroffenen ankommen" - Helene G.

    "Heute" fragte bei "VertretungsNetz" nach, wie es zu dieser Bemessung gekommen ist: "Über die monatlichen Fixkosten wie Miete und Lebensmittel wurde mit Frau G. erst vor zwei Monaten eine schriftliche Vereinbarung getroffen. Diesem Betrag liegt eine Kostenaufstellung zugrunde, welche Frau G. der Erwachsenenvertreterin vorgelegt hat. 'VertretungsNetz' ist beauftragt, das Wohl von Herrn K. zu sichern – nicht das seiner Mutter", so eine Sprecherin.

    Auf Unverständnis stößt bei Helene G. zudem, dass Familienbeihilfe und Pflegegeld nicht voll ausgezahlt werden: "Das verstehe ich einfach nicht. Das sind doch Beihilfen, die direkt bei den Betroffenen ankommen sollen. Und schließlich pflege ich ja meinen Sohn."

    "Herr K. kann sich jederzeit an seine Erwachsenenvertreterin wenden, wenn er größere Anschaffungen plant oder sich persönliche Wünsche erfüllen möchte, die etwas mehr Geld kosten" - Sprecherin des "VertretungsNetz"

    Seitens des "VertretungsNetz" heißt es dazu: "Herr K. bekommt einen Anteil seines gesamten Einkommens ausbezahlt – zum Einkommen werden auch Familienbeihilfe und Pflegegeld gezählt. Wir achten sehr genau darauf, dass die von uns vertretenen Menschen so weit wie möglich selbst bestimmen können, wofür sie ihr Geld ausgeben. Wir haben eine Wunschermittlungs-Pflicht. Er kann sich jederzeit an seine Erwachsenenvertreterin wenden, wenn er größere Anschaffungen plant oder sich persönliche Wünsche erfüllen möchte, die etwas mehr Geld kosten."

    Wie es mit der Pflege von Alexander K. weitergeht, ist noch offen. Derzeit ist der 45-Jährige laut seiner Mutter stabil: "Er ist in Psychotherapie, nimmt seine Medikamente. Er erledigt schon kleinere Hausarbeiten wie Staubsaugen, macht Ausflüge und geht mit mir einkaufen. Alexander macht laufend kleine Fortschritte, äußert auch schon selber Wünsche. Sein größter Traum ist es, einmal nach Indien zu reisen, da sein Vater dort geboren wurde. Und, dass er einmal unabhängig von mir sein möchte."

    Neues Verfahren zur Erwachsenenvertretung

    Ob sich der Wunsch nach Unabhängigkeit so schnell erfüllen wird, ist fraglich. Denn: "Aufgrund von Konflikten mit Frau G. hat die mit der Fallführung betraute Mitarbeiterin einen Zwischenbericht an das Pflegschaftsgericht verfasst. In einem gerichtlichen Erneuerungsverfahren zu der bestehenden Erwachsenenvertretung wird in Kürze geklärt werden, wer die Angelegenheiten für Herrn K. in Zukunft regeln soll", so eine Sprecherin von "VertretungsNetz" abschließend.