Gesundheit

Wie "ewige Chemikalien" unser Immunsystem beeinflussen

Studien deuten darauf hin, dass Chemikalien in unserer Umwelt die Antikörperproduktion blockieren könnten. Das hätte fatale Auswirkungen.

Sabine Primes
Abbauresistente Chemikalien könnten unser Immunsystem schädigen.
Abbauresistente Chemikalien könnten unser Immunsystem schädigen.
Getty Images/iStockphoto

Fleckenabweisende Teppiche und antihaftbeschichtete Töpfe - viele Erfindungen machen uns den Alltag heutzutage leichter, sodass wir nicht mehr darauf verzichten möchten. Aber nur die wenigsten wissen, welche Auswirkungen diese chemischen Verbindungen auf unsere Umwelt und auf den Menschen haben.

So genannte Perfluoralkyl- und Polyfluoralkylsubstanzen machen resistent gegen Fett und Wasser, aber auch gegen ihren Abbau. In einer Vielzahl von Studien versuchen Forscher herauszufinden, welche Risiken diese allgegenwärtigen "ewigen Chemikalien" für die öffentliche Gesundheit darstellen.

Besorgniserregende Auswirkungen

In den frühen 2000er-Jahren entdeckte man, dass diese Substanzen (auch PFAS genannt) jede Ecke des Planeten erreichen - vom Nordpol bis zum Südpol. Epidemiologen und Toxikologen weisen auf eine Vielzahl möglicher Folgen hin, darunter Schilddrüsenerkrankungen, Leberschäden sowie Nieren- und Hodenkrebs. Auswirkungen auf das Immunsystem sind besonders besorgniserregend.

Tiermodelle und Studien am Menschen haben starke Beweise dafür geliefert, dass PFAS das Immunsystem verändern und die Fähigkeit, Krankheiten zu bekämpfen oder auf Impfungen zu reagieren, beeinträchtigen. Sie blockieren die Produktion der Antikörper und unterdrücken so die Immunantwort des Körpers. Eine Tatsache, die beunruhigt. Denn Menschen sind diesen "ewigen" Chemikalien durch kontaminiertes Wasser, Lebensmittel und Luft sowie unzähligen Produkten einschließlich Kosmetika und Polstermöbel ausgesetzt. Für eine bestimmte Person können die Folgen einer veränderten Immunfunktion lediglich subtil sein und sich in einer zusätzlichen Erkältung ausdrücken oder sie braucht etwas länger, um eine Infektion auszukurieren. Aber auf Bevölkerungsebene könnte es eine ökologische Auswirkung in Form von mehr Arztbesuchen, mehr Eltern, die nicht zur Arbeit gehen, weil die Kinder krank sind, geben.

Im Jahr 2015 berichtete die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) National Health and Nutrition Examination Survey, dass PFAS im Blut fast aller untersuchten Amerikaner gefunden wurden.

Entschlüsselung des Mechanismus

Die größte Unbekannte ist der tatsächliche Mechanismus, wie PFAS-Chemikalien das Immunsystem verändern. Die Aufdeckung eines molekularen Mechanismus könnte helfen, die Relevanz von Tierversuchen für die menschliche Gesundheit zu bestimmen. Bisherige Versuche an Mäusen deuten darauf hin, dass PFOA auf wichtige Immunzellen, so genannte B-Zellen, abzielt, die Antikörper produzieren. Die B-Zellen werden blockiert, worauf weniger oder keine Antikörper mehr produziert werden und damit das Immunsystem außer Kraft setzen. Infektionen und Krankheiten wären die Folge.

Längere Dauer der Corona-Pandemie bei verminderter Impfwirkung

Vor allem im Hinblick auf das Coronavirus und die weltweit stattfindenden Impfungen hat dieses Thema besondere Relevanz. Eine verminderte Immunantwort auf den Impfstoff würde keinen ausreichenden Schutz bedeuten. Dies würde das Ende der Pandemie nach hinten verschieben.

Anhand von dänischen Biobanken wurde die PFAS-Konzentration in Blutplasmaproben von Erwachsenen, die mit COVID-19 infiziert waren, analysiert. Man stellte einen starken Zusammenhang zwischen dem Krankheitsverlauf und Perfluorbutansäure (PFBA), einem kleinen PFAS-Molekül, das sich in der Lunge anreichert, fest. In einer Gruppe von mehr als 300 Proben war das Vorhandensein von PFBA im Blutserum mit einer annähernden Verdoppelung der Wahrscheinlichkeit eines Krankenhausaufenthalts verbunden. Hospitalisierte Personen mit PFBA-Belastung wiesen eine mehr als fünfmal höhere Wahrscheinlichkeit auf, in Intensivpflege überzugehen oder zu sterben.