Österreich
Polizei hörte mit: "Sie bekommen keine Luft"
71 tote Flüchtlinge wurden aus einem Schlepper-Lkw auf der A4 geborgen. Die Polizei hörte die Täter ab, übersetzte die Gespräche aber zu langsam.
In ein paar Tagen beginnt der Prozess gegen jene 11 Schlepper, die für den Tod von 71 Flüchtlingen im August 2015 verantwortlich sein sollen. Die Leichen von 59 Männern, acht Frauen und vier Kindern wurden auf der A4 bei Parndorf aus einem Kühl-Lkw geborgen.
Nun erheben mehrere deutsche Medien, denen die Ermittlungsakte zugespielt wurde, schwere Vorwürfe gegen die ungarische Polizei: Sie hat die Telefongespräche der Drahtzieher der Schlepper-Unternehmung schon 13 Tage vor und dann während der tödlichen Fahrt abgehört - aber die Gespräche wurden nicht rechtzeitig übersetzt.
Die Fahrer berichteten ihren Chefs in diesen Gesprächen von den klopfenden und schreienden Flüchtlingen. Einer sagte: "Die Leute machen das Auto gleich kaputt. Sie klopfen sehr stark." Ein anderer sagte, dass er glaube, "dass sie keine Luft bekommen".
Leichen im Wald abladen
Auch während der Todesfahrt, die im August 2015 auf der A4 bei Parndorf endete, rief der Beifahrer seinen Chef an. Die Flüchtlinge würden schreien und klopfen, sagte er seinem Chef. Dieser verbot ihm aber, den Menschen Wasser zu geben: "Das geht nicht, dass er [der Fahrer] die Tür aufmacht", sagte er dem Komplizen. Falls einer sterbe, solle der Fahrer die Leichen im Wald abladen.
Nicht immer zugehört
Ein ungarischer Staatsanwaltschaftssprecher sagte der Süddeutschen Zeitung: "Wenn die ungarischen Behörden die Chance gehabt hätten, diese furchtbare Tat zu verhindern, dann hätte man das getan. Aber die Gespräche konnten erst zu einem Zeitpunkt übersetzt und ausgewertet werden, als diese tragische Schleusung schon durchgeführt war."
Außerdem säße nicht dauerhaft ein Beamter am Kopfhörer, der diese Gespräche, die meist in den Nachtstunden stattfanden, überwachen würde.
Schleppernetzwerk
Das Schleppernetzwerk rund um einen Afghanen und einen Bulgaren soll insgesamt 28 Fahrten unternommen haben. Mehrmals mussten Flüchtlinge dabei notärztlich versorgt werden. Die Original-Protokolle der Polizei-Überwachung liegen dem NDR, WDR und der Süddeutschen Zeitung vor. (csc)