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Ist unser WhatsApp-Chat bald voller Werbung?

Er kämpfte für ein werbefreies WhatsApp – jetzt verlässt Jan Koum Facebook. Was heißt das für den Chat-Service?

Heute Redaktion
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Mit Jan Koum verlässt der zweite und letzte Mitgründer von WhatsApp den Mutterkonzern Facebook. Da Koum und sein Geschäftspartner Brian Acton als die Verteidiger des Datenschutzes und der Werbefreiheit des Messenger-Dienstes galten, kommen nun Sorgen auf, dass auch auf WhatsApp bald Werbung erscheinen wird.

Auch Michael Klaas, Leiter der Fachstelle Digital Marketing an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), geht davon aus, dass es bei Facebook Bestrebungen gibt, Werbung in WhatsApp zu integrieren. Der Experte mutmaßt gegenüber "20 Minuten", dass Koum diesbezüglich massive Konflikte mit Facebook hatte. "Der Abgang des Gründers hängt sicherlich auch mit dem aktuellen Datenskandal bei Facebook zusammen", fügt Klaas hinzu.

Werbebanner auf WhatsApp

Laut dem Experten wäre es für Facebook am einfachsten, innerhalb der App Werbung zu schalten – etwa Werbebanner, wie man sie aus anderen Apps kennt. Um die Werbung noch gezielter auszuspielen, sei denkbar, dass Facebook beginnt, wie bei seinen anderen Diensten Daten aus den Konversationen zu nutzen. Das ist allerdings momentan wegen WhatsApps End-to-End-Verschlüsselung nicht möglich. Diese sorgt dafür, dass nur die Gesprächsteilnehmer den Klartext der Konversation lesen können, nicht aber die Anbieter der App.

"Die Verschlüsselung zu lockern wäre für Facebook allerdings ein Eigentor", so Klaas. Schließlich habe Mark Zuckerberg erst kürzlich vor dem US-Kongress betont, wie gut die Konversationen auf WhatsApp geschützt seien.

Nichts ist wirklich gratis

"There is no such thing as a free lunch", lautet ein gängiger Spruch, der zum Ausdruck bringt, dass Konsumenten nie wirklich etwas gratis bekommen. "Man bezahlt immer mit etwas", sagt Michael Klaas von der ZHAW. Im Fall von Facebooks Geschäftsmodell sind es die persönlichen Daten, die man für die Nutzung der Dienste preisgibt. Das gelte aber auch für viele Internet-Angebote anderer Unternehmen. "Leider sind viele Firmen nicht sehr transparent, was die Nutzung dieser Daten angeht", so Klaas.

Verknüpfung von Facebook und WhatsApp

Alternativ könne Facebook Daten von anderen Plattformen wie etwa dem hauseigenen Messenger oder Instagram nutzen, um gezielte Werbung auf WhatsApp zu generieren. Eine Voraussetzung wäre, dass Nutzer ihr Facebook-Profil mit WhatsApp verknüpfen. Klaas hält es für realistisch, dass der Konzern die Verknüpfung für WhatsApp-Nutzer künftig voraussetzen wird.

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Der Facebook-Gründer sagte zum Datenskandal um Cambridge Analytica aus. (Video: Tamedia)

Ein weiterer Ansatz wäre Conversational Commerce. Das Modell kommt bereits im Facebook-Messenger zum Einsatz. Firmen programmieren sogenannte Chatbots, die wie normale Nutzer über WhatsApp kommunizieren. Die Bots können also mit Menschen chatten und dabei Werbung machen. "Das könnte dann so weit gehen, dass sich diese Programme in Konversationen einschalten können", so Klaas. Dass es bald dazu kommen würde, sei aber unwahrscheinlich – denn Conversational Commerce setzt derzeit voraus, dass die Verschlüsselung auf WhatsApp gelockert würde.

Gezielte Werbung lohnt sich

Aus wirtschaftlicher Sicht hat Facebook guten Grund, sich zu überlegen, die Verschlüsselung abzuschaffen. "Die Erfolgsquote personalisierter Werbung kann bei bis zu 70 Prozent liegen", so Klaas. Das heißt, dass Nutzer auch effektiv auf die Werbung klicken.

Schon bei der Übernahme von WhatsApp 2014 gab es Zweifel, ob sich die 19 Milliarden US-Dollar teure Transaktion für Facebook je rechnen werde. "Ich glaube, kaum, dass WhatsApp für Facebook momentan Gewinne erwirtschaftet", sagt Klaas.

Facebook bleibt vorsichtig

Da Facebook gerade erst in einen riesigen Datenskandal verwickelt war, müssen Konsumenten trotz Koums Abgang aber nicht damit rechnen, dass sie schon in den nächsten Wochen personalisierte Werbung auf WhatsApp zu sehen bekommen werden: "Einschneidende Veränderungen, gerade was WhatsApp angeht, dürfte Facebook vorerst vertagt haben", so Klaas.

Trotzdem glaubt der Experte nicht, dass viele Nutzer WhatsApp wegen Werbung den Rücken kehren würden. Bereits beim Cambridge-Analytica-Skandal habe sich gezeigt, dass Nutzer gar nicht so sensibel reagieren: Trotz der Enthüllungen stiegen die Nutzerzahlen des sozialen Netzwerks im ersten Quartal 2018. Für WhatsApp gebe es derzeit auch keine naheliegende Alternative, so Klaas. Grund dafür ist, dass es eine riesige Nutzerbasis hat: Ende 2017 waren es weltweit 1,5 Milliarden Nutzer.