Start-up Notarity

Klage: Kammer will junge Wiener Firma vom Markt fegen

Das Start-up notarity ist mit der Vermittlung von Online-Notariatsdiensten erfolgreich. Aber jetzt zerrt die Kammer die jungen Gründer vor Gericht.  

Angela Sellner
Klage: Kammer will junge Wiener Firma vom Markt fegen
Die Gründer des Wiener Start-ups notarity: Sebastian Wodniansky-Wildenfeld, Max Pointinger, Jakobus Schuster, Alexander Gugler (v.l.).
notarity

Notartermine etwa zur Beglaubigung von Dokumenten bequem online erledigen statt ins Büro des Notars pilgern zu müssen – das bietet das österreichische Start-up notarity.com an.

Die Firma wurde im Jahr 2021 von Jakobus Schuster, Alexander Gugler, Max Pointinger und Sebastian Wodniansky-Wildenfeld gegründet und hat sich seither zu einer führenden Plattform zur Vermittlung von Notarterminen entwickelt.

Dokumente beglaubigen

"Binnen einer Stunde ist es über uns möglich, ein Dokument bei unseren Partnernotariaten beglaubigen zu lassen. Man braucht nur ein Smartphone und einen Ausweis", berichtet Gründer und Chef Jakobus Schuster im "Heute"-Gespräch.

Notarity werde hauptsächlich von Unternehmen (etwa rund um Firmengründungen) genutzt, aber auch Privatpersonen würden immer wieder etwas vom Notar brauchen – beispielsweise im Falle eines Wohnungskaufs oder für Vorsorgevollmachten.

"Wir arbeiten eng mit vielen Notaren zusammen", so Schuster, der betont, dass notarity ein Softwareunternehmen sei. Rund jede vierte österreichische Notariatskanzlei biete inzwischen ihre Leistungen unter Einsatz von notarity online an. Mehr als 10.000 Dokumente wurden seit dem Start der Firma über die Plattform beglaubigt. Privatpersonen und Betriebe aus mehr als 100 Ländern haben das Angebot bisher genutzt. Das Interesse sei groß, so Schuster – die Nutzung wachse monatlich um rund 20 Prozent.

Notariatskammer: Firmenname ist irreführend

Allerdings macht die Österreichische Notariatskammer (ÖNK) dem jungen Unternehmen das Leben schwer, will ihm mit einer Klage das Wasser abgraben. Ende September 2023 hat die Kammer eine Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht, die das Geschäftsmodell von notarity ins Visier nimmt. 

Wir bringen Notare und Kunden zusammen, agieren nicht selbst als Notare
Jakobus Schuster
Gründer und Chef von notarity

Konkret sei notarity nach eigenen Angaben zwar ein technischer Dienstleister, erbringe aber auch notarielle Dienstleistungen, die auf der Homepage zu Fixpreisen angeboten würden. Irreführend sei nicht zuletzt der Firmenname notarity.

Schuster weist die Vorwürfe entschieden zurück: "Wir bringen Notare und Kunden zusammen, agieren nicht selbst als Notare." Es gebe keinen Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Online-Beglaubigen, wie notarity sie anbiete. "Die technische Abwicklung von Online-Beglaubigungen ist in der Notariatsordnung klar geregelt. Wir erfüllen diese Vorgaben als Plattform auf Punkt und Beistrich", so Schuster.

Gerichtstermin Anfang Juni

Man habe seit Eintreffen der Klage mehrmals Kontakt mit der Kammer gesucht, um Differenzen ausräumen zu können – vergeblich: "Die Kammer will nicht mit uns reden."

Für Anfang Juni ist ein Gerichtstermin angesetzt. "Für uns als Start-up ist eine solche Klage schon sehr belastend. Es geht viel Zeit für die Beschäftigung damit drauf. Das bremst uns, bindet Ressourcen, die sonst in die Weiterentwicklung unseres Business' fließen könnten", sagt Schuster. Und: "Anders als die Kammer haben wir als Start-up nur sehr begrenzte finanzielle Mittel."

Anders als die Kammer haben wir als Start-up nur sehr begrenzte finanzielle Mittel
Jakobus Schuster
notarity-Chef über die Belastung durch die Klage

Schuster hofft weiter, den Konflikt gütlich beilegen zu können. Zumal es mit sehr vielen Notaren eine gute Zusammenarbeit gebe - was den Klage-Vorstoß der Kammer noch unverständlicher mache. "Es heißt immer, wir müssen weiterkommen mit der Digitalisierung - aber dann werden Start-ups, die innovative Dienstleistungen anbieten, doch wieder Steine in den Weg gelegt", ärgert sich Schuster. 

Schlichtungsstelle

Dabei sei notarity wirklich diskussionsbereit. "Wir haben schon einiges umgestellt auf der Plattform, dem Begehren der Kammer folgend." Wünschen würde Schuster sich, dass Auffassungsunterschiede zwischen Start-ups und Standesvertretungen generell zuerst vor einer unabhängigen Schlichtungsstelle behandelt würden – wie es in vergleichbaren Klagsfällen bei anderen Firmen geschehen sei.

Seitens der Notariatskammer hieß es, man begrüße die Entwicklung technischer Systeme zur weiteren Digitalisierung der Notariate sehr. Aber: "Es gibt eine Reihe von hoheitlichen notariellen Dienstleistungen, wie unter vielen anderen die Beglaubigung einer Unterschrift, die – ausschließlich – Notar:innen als öffentliche Amtspersonen neben den Gerichten anbieten und durchführen dürfen. Wenn nun notarity diese Leistungen auf seiner Homepage anbietet und abrechnet, dann müssen wir die Frage stellen, ob das rechtens ist und welche Folgen sich für die Klient:innen beispielsweise bei Reklamationen ergeben können", so ÖNK-Sprecher Ulrich Voit.

Eine Frage, die sich für Schuster leicht beantworten lässt: "Unsere Innovation ist die Plattform, auf der binnen kurzer Zeit ein Notar vollständig online zur Verfügung steht. Die notariellen Dienstleistungen selbst erbringen weiterhin eigenständig unsere Partnernotariate."

Diese aktuellen Storys solltest du heute lesen

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>08.05.2024: Wiener Lokal verlangt Geldstrafe, wenn du nicht aufisst</strong>. Ein China-Restaurant in Wien überrascht mit einer Sondergebühr. Diese gilt für Gäste, die ihr Essen übrig lassen. "Heute"  sprach mit der Besitzerin. <strong><a data-li-document-ref="120035388" href="https://www.heute.at/s/wiener-lokal-verlangt-geldstrafe-wenn-du-nicht-aufisst-120035388">Die ganze Story &gt;&gt;</a></strong>
    08.05.2024: Wiener Lokal verlangt Geldstrafe, wenn du nicht aufisst. Ein China-Restaurant in Wien überrascht mit einer Sondergebühr. Diese gilt für Gäste, die ihr Essen übrig lassen. "Heute" sprach mit der Besitzerin. Die ganze Story >>
    Leserreporter

    Auf den Punkt gebracht

    • Das österreichische Start-up notarity.com hat eine erfolgreiche Plattform zur Vermittlung von Notarterminen entwickelt
    • Das Unternehmen wird jedoch von der österreichischen Notariatskammer (ÖNK) verklagt, da sie das Geschäftsmodell des Start-ups als irreführend betrachtet und rechtliche Bedenken hinsichtlich der angebotenen notariellen Dienstleistungen äußert
    • Jakobus Schuster, Mitgründer von notarity, weist die Vorwürfe im "Heute"-Gespräch zurück und erläutert, warum seine Firma rechtlich auf sicheren Beinen steht
    sea
    Akt.