Welt
Schnecken-Sex im Namen der Wissenschaft
Schnecke Jeremy ist einsam. Forscher suchen fieberhaft einen Partner für den "Linksdreher" – sie wollen dadurch eine seltene Herzkrankheit entschlüsseln.
Das ist Jeremy. Und Jeremy ist die wohl einsamste Schnecke der Welt, denn er ist etwas ganz besonderes. Sein Gehäuse dreht sich gegen den Uhrzeigersinn – ein Phänomen, das britische Wissenschaftler nun genau unter die Lupe nehmen.
Seit Oktober 2016 haben Wissenschaftler der Universität Nottingham rund um Angus Davison fieberhaft nach einem ebenfalls linksdrehenden Partner für den kleinen Jeremy gesucht. Denn nicht nur Jeremys Schneckenhaus ist auf der falschen Seite, sondern auch seine Organe haben ihre Plätze vertauscht, was das Liebesspiel mit normalen Schnecken beinahe unmöglich macht.
Der einsame Jeremy wurde kurz nach dem Aufruf zur Partnersuche zum Internetstar. Er hat sogar einen eigenen Twitteraccount @leftysnail. Das Medienecho war enorm und unter #snaillove suchten Tausende nach einem passenden Gegenstück zu dem einsamen Linksdreher.
Schnecken sind Zwittertiere, d.h., sie besitzen sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane. Sie können sich auch ohne Partner fortpflanzen. Jedoch tun sie das nur in Notfällen, wenn keine anderen Partner verfügbar sind.
Schließlich konnten zwei potentielle Liebhaber – "Lefty" und "Tomeu" – auf einer Schneckenfarm in Mallorca und durch einen Schnecken-Enthusiasten im englischen Ipswich ausgeforscht werden. Die beiden seltenen Weichtiere wurden von den Forschern eingeflogen und dem rolligen Jeremy vorgestellt.
Dreiecksbeziehung unter Weichtieren
Doch anstatt mit ihm anzubandeln, hatten Lefty und Tomeu nur Augen für einander. Den armen Jeremy ließen sie als drittes Rad am Wagen in der Friendzone-Hölle schmoren. Mittlerweile haben die beiden liebestollen Schnecken gemeinsam schon über 170 Mini-Schneckerl gezeugt – doch bei keiner von ihnen dreht sich das Gehäuse gegen den Uhrzeigersinn.
"Wir haben gesehen, dass es keine Anzeichen einer Liebesbeziehung zwischen Jeremy und Lefty, oder Tomeu gibt. Das unterstreicht noch einmal eindeutig, wie unglaublich viel Glück wir hatten, nicht nur eine, sondern gleich zwei solche seltenen Schnecken durch unseren öffentlichen Aufruf zu finden", freute sich Studienleiter Davison.
An dem "normalen" Nachwuchs haben die Wissenschaftler allerdings wenig Interesse. Denn hinter der irrwitzigen Aktion steckt ein ernster Hintergrund: Davison glaubt, dass der selbe Defekt, der die Linksdrehung des Schneckengehäuses verursacht, auch für Dextrokardie beim Menschen verantwortlich ist.
Suche nach der Ursache für Rechtsherzigkeit
Dextrokardie, oder auch Rechtsherzigkeit, ist ein angeborenes Phänomen, bei dem das Herzen des Menschen in der rechten, statt der linken Brusthöhle sitzt. Nur rund einer von 10.000 Menschen ist von diesem seltenen Defekt betroffen. Bei einer erweiterten Form sind – wie bei Jeremy – alle Organe im Körper spiegelverkehrt angeordnet.
Durch die weitere Zucht von zwei linksdrehenden Partnern will Davison feststellen, ob es sich dabei um ein vererbbares Gen handelt, oder um eine zufällige Entwicklungsstörung handelt.
Hier könnte auch wieder der Nachwuchs von Lefty und Tomeu ins Spiel kommen. Handelt es sich etwa um ein rezessives Gen, so sind die Forscher überzeugt, dass es unter den Enkerln der beiden auch wieder Linksdreher geben wird.
Lefty wurde inzwischen allerdings wieder zu ihrem Besitzer nach Ipswich transferiert. Schneckenexperte Davison ist aber optimistisch, dass zwischen Jeremy und Tomeu irgendwann doch noch ein Funke überspringt.
(rcp)