Klimawandel in den Alpen

Zu heiß für Eis – jetzt wächst Ribisel auf Pasterze

Österreichs größte Gletscherzunge schrumpft rasant. Wo sich das Eis zurückzieht, erobert Pflanzen und Tiere neuen Lebensraum – andere verlieren ihn.

Roman Palman
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    <strong>Klimawandel an der Pasterze:</strong> Wo sich vor nicht langer Zeit noch Eismassen türmten, grünt es nun.
    Klimawandel an der Pasterze: Wo sich vor nicht langer Zeit noch Eismassen türmten, grünt es nun.
    Georg Granig

    Verglichen mit vor 150 Jahren ist Österreichs (noch) größte und bekannteste Gletscherzunge nur mehr ein Schatten ihrer selbst. Die zunehmende Erderhitzung lässt die Pasterze am Großglockner im Rekordtempo dahinschmelzen. Erst im vergangenen Jahr wurde sie deshalb beim Besucherzentrum Franz-Josefs-Höhe mit einem Sarg aus Eis symbolisch zu Grabe getragen.

    Der Klimawandel hat Auswirkungen auf Österreichs gefrorene Wasserreserven und schlussendlich auch die Versorgungssicherheit. Er würfelt natürlich auch lokal das ökologische Gleichgewicht durcheinander.

    Das muss nicht immer schlecht sein, denn das meist aus Felsen und Schutt bestehende Gletschervorfeld wird beim Rückzug des Eises von neuem Leben besiedelt. Pflanzen und Tiere machen es zu ihrer neuen Heimat.

    Bilder: Symbolisches Begräbnis für Gletscherzunge Pasterze

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      Die Pasterze wurde am 5. September 2023 mit kirchlichen Würden und einem Sarg aus Eis symbolisch zu Grabe getragen.
      Die Pasterze wurde am 5. September 2023 mit kirchlichen Würden und einem Sarg aus Eis symbolisch zu Grabe getragen.
      Johann Groder / EXPA / picturedesk.com

      Stattliche Ribiselstaude

      Ein plakatives Beispiel ist ein Lärchenwäldchen an einer Stelle, wo vor einem Jahrhundert noch Eismassen lagerten. Manchmal findet sich auch ein unerwarteter "Zuwanderer": "Beispielsweise haben wir eine mittlerweile sehr große, stattliche Ribiselstaude im Gletschervorfeld, wo vor circa 20 Jahren noch Gletscher war", sagt Barbara Pucker, Direktorin des Nationalparks Hohe Tauern, gegenüber dem ORF.

      Wie die Johannisbeere in diese ungewöhnlichen Gefilde kam? "Das kann man sich so vorstellen, dass ein Vogel, der vom Tal hinauffliegt, versucht hat, einen Ribiselsamen zu verdauen. Das ist ihm nicht gelungen, er hat ihn fallen lassen. Dieser Samen hat im Gletschervorfeld angefangen, zu keimen. Jetzt haben wir tatsächlich eine sehr schöne Edelweißpflanze und direkt daneben die Ribiselstaude."

      Bilder: Gletscherweg Pasterze zeigt dramatischen Eis-Rückgang

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        Kaum noch zu sehen: Die zusammengeschmolzene Pasterze im Hintergrund des Sander Sees.
        Kaum noch zu sehen: Die zusammengeschmolzene Pasterze im Hintergrund des Sander Sees.
        Alpenverein/V. Raich

        "Bisher in der Form nicht gegeben"

        Beim Blick von der Franz-Josefs-Höhe fällt vor allem eines ins Auge: Statt Gletscher ist dort mittlerweile ein riesiger See. "Der ist jetzt relativ landschaftsprägend. Das ist schon recht faszinierend, dass sich innerhalb von gut 20 Jahren eine Flächenausdehnung von ungefähr 50 Hektar in Form eines Sees entwickelt hat", so der Gletscherforscher Andreas Kellerer-Pirklbauer von der Universität Graz.

        Das Wasser des Pasterzensees ist naturgemäß eiskalt, vom vielen ausgespülten Gesteinsmehl trüb und mit 48 Metern überraschend tief. Seit 2023 wird er regelmäßig vom Kärntner Institut für Seenforschung untersucht. Nationalparkdirektorin Pucker: "Weil es uns natürlich sehr interessiert, was spielt sich tatsächlich ab in diesen völlig neuen Lebensräumen, die es bisher ja in der Form nicht gegeben hat." Sie erwartet auch hier eine Einwanderung von Pflanzen und Tieren.

        Bilder: Pasterze am Großglockner schmilzt rasant davon

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          So kennt kein lebender Mensch mehr die Pasterze. Die Farblithographie entstand um <strong>1880</strong> und zeigt den riesigen Gletscher und das Glocknerhaus.
          So kennt kein lebender Mensch mehr die Pasterze. Die Farblithographie entstand um 1880 und zeigt den riesigen Gletscher und das Glocknerhaus.
          akg-images / picturedesk.com

          "Irgendwann ist es natürlich aus"

          Bei aller Faszination an den entstehenden Lebensräumen, warnen der Grazer Glaziologe und die Nationalpark-Chefin vor den schlimmen Seiten des Klimawandels. Gerade im Hochgebirge sind einige Arten, die sich an eisige Temperaturen angepasst haben, davon bedroht.

          Pucker: "Die Steinböcke (Capra ibex) beispielsweise mögen keine Temperatur, die höher ist als 15 Grad. Wir haben sehr, sehr häufig Temperaturen, die weitaus höher sind als 15 Grad, auf der Franz-Josefs-Höhe beispielsweise auf knapp 2.500 Meter. Das heißt, die Steinböcke gehen immer weiter hinauf. Nur irgendwann ist es natürlich aus."

          Selbiges gilt für das Gamswild. Die Alpengämse (Rupicapra rupicapra) leiden zunehmend unter Hitzestress. Das konnte ein Wildbiologe der BOKU anhand der Abnahme des durchschnittlichen Körpergewichts über die vergangenen drei Jahrzehnte feststellen.

          "Sollte uns wieder einen Weckruf geben"

          Erdgeschichtlich gesprochen ist es nicht neu, dass sich die Alpengletscher massiv zurückziehen können. Dass es im gegenwärtigen Holozän nicht zum ersten Mal passiert, zeigen Funde wie ein 6000 Jahre alter Zirbenstamm (siehe Bildstrecke unten) im Bereich der sich zurückziehenden Pasterze.

          Die damalige Wärme im "Atlantikum" genannten Teilabschnitt des Holozäns hatte die Gletscher auf ihre zuletzt kleinste Ausdehnung zusammenschrumpfen lassen. Zusammen mit starker Sonneneinstrahlung in den Alpen kam es zu einer raschen Bewaldung, die Baumgrenze lag etwa 300 Meter höher als heute, erklärt die GeoSphere Austria das Paläeoklima der letzten 12.000 Jahre in Österreich.

          Bilder: Schmelzende Pasterze gibt 6.000 Jahre alte Zirbe frei

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            Aus dem Großglockner-Gletscher Pasterze haben Mitarbeiter des Nationalparks und der Universität Salzburg 2015 einen 6000 Jahre alten Zirbenstamm geborgen.
            Aus dem Großglockner-Gletscher Pasterze haben Mitarbeiter des Nationalparks und der Universität Salzburg 2015 einen 6000 Jahre alten Zirbenstamm geborgen.
            Nationalpark Hohe Tauern

            Danach stellte sich aber der langfristige Klimatrend auf leichte Abkühlung um, die in den Alpen eine erneut größere Vergletscherung bis Mitte des 19. Jahrhunderts zur Folge hatte. Seither sind die Eismassen aber im Rückzug, da die Temperaturen wieder steigen. 2023 war es laut dem EU-Klimadienst Copernicus im weltweiten Schnitt so heiß wie seit 100.000 Jahren nicht mehr.

            In der Vergangenheit hatten zahlreichen natürlichen Ursachen zu Klimaschwankungen geführt, die aktuell auch im Vergleich extrem schnelle Erwärmung kann damit alleine aber nicht erklärt werden. Die zunehmende Erderhitzung ist eine Folge der menschlichen Treibhausgas-Emissionen. Deren Wirkung und Folgen sind bereits seit 170 Jahren erforscht und verstanden.

            Für Glaziologe Kellerer-Pirklbauer ist das rasant schwindende Eis deshalb ein deutliches Warnzeichen für immer noch unzureichenden Klimaschutz. Er sieht dringenden Handlungsbedarf seitens der Politik: "Das sollte uns auch wieder einen Weckruf geben!"

            Die Bilder des Tages

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              Mareiner

              Auf den Punkt gebracht

              • Die Pasterze schmilzt aufgrund des Klimawandels rapide
              • Neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere entstehen, aber Experten warnen vor den negativen Auswirkungen
              • Sie betonen die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen
              rcp
              Akt.