Kein Lift
Wienerin ist nach Unfall in ihrer Wohnung "gefangen"
Hermine E. wurde vor vier Jahren bei einer Notbremsung verletzt, leidet seitdem an den Folgen. Die Pensionistin wohnt im 3. Stock – ohne Lift.
Ihre Wohnung in der Pitkagasse (Floridsdorf) verlässt Hermine E. (73) nur, wenn es absolut notwendig ist, etwa für Arztbesuche. Der Grund: Die schwerst gehbehinderte Pensionistin wohnt im 3. (und letzten) Stock eines Hauses ohne Lift und muss sich 62 Stufen erst hinunter und dann wieder hinauf quälen.
Seit einem Unfall am 18. September 2020 leidet die gelernte kaufmännische Angestellte an den Folgen: "Ich war in der Straßenbahn, die eigentlich sehr voll war. Ein Auto ist auf den Schienen gestanden. Der Bim-Fahrer hat trotzdem Gas gegeben und dann eine Notbremsung gemacht. Ich bin durch den halben Waggon geflogen. Mich hat's aus den Schuhen gerissen, die Leute haben meine Zähne gesucht", erinnert sich Hermine E. im Gespräch mit "Heute".
Hermine E. hat starke Schmerzen
Die Wienerin erlitt bei dem Unfall Prellungen und eine stark blutende Platzwunde am Kopf, die im Spital genäht werden musste – doch das war noch nicht alles: "Etwa eine Woche später haben dann die Schmerzen begonnen – im Rücken, den Hüften und den Knien. Zuerst habe ich mir einen Stock als Hilfsmittel gekauft, später dann Krücken", erzählt die 73-Jährige, die von den Wiener Linien rund 2.000 Euro Schadenersatz erhielt.
Seit 1996 lebt Hermine E. in der 55 Quadratmeter großen ÖBB-Dienstwohnung ihres verstorbenen Mannes. Unten im Eingangsbereich steht ihr Rollator, doch allein der Weg dorthin ist für die Witwe schon eine Qual: "Ich bin hier oben gefangen", meint sie verzweifelt. Nachbarn helfen ihr mit den Einkäufen, entsorgen auch ihren Müll. Ab und zu ist auch ihr Sohn zu Gast, der in der Steiermark lebt.
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Absage von Wiener Wohnen
Für die Pensionistin ist dieser Zustand nicht mehr tragbar, sie hat daher bei Wiener Wohnen um eine barrierefreie Wohnung angesucht: "Zuerst mussten die ÖBB ein sehr detailliertes Formular zur derzeitigen Wohnung ausfüllen. Beim nächsten Termin hieß es, dass sie ein fachärztliches Gutachten benötigen, dass ich eine barrierefreie Wohnung brauche. Auch das habe ich per Post geschickt. Beim letzten Termin wurde dann auch noch eine Bestätigung verlangt, dass sich das WC bei mir in der Wohnung befindet", ist Hermine E. fassungslos.
In ihrer Verzweiflung wandte sich die 73-Jährige an den Floridsdorfer Alt-Bezirksrat Hans Jörg Schimanek: "Dieser Fall zeigt deutlich, wie überfordert alleinstehende Menschen in der Großstadt im Ernstfall allein schon mit der Bewältigung des 'Papierkrieges' sind. Hier bedarf einer verstärkt zielgerichteten Unterstützung durch Experten des Fonds Soziales Wien", meint er.
„Ich hätte gerne eine Smart-Wohnung mit zwei Zimmern. Denn ich werde sicher bald eine Pflegerin benötigten“
Im Moment hat die ehemalige Marktfahrerin, die von rund 1.200 Euro monatlich lebt, nur einen Wunsch: "Ich hätte gerne eine Smart-Wohnung mit zwei Zimmern. Denn ich werde sicher bald eine Pflegerin benötigen. Ein großes Waschbecken wäre auch super. Ich habe Bekannte im 21. Bezirk, die mir immer wieder helfen, daher würde ich gerne auch in Floridsdorf bleiben. Meine paar Tage, die ich noch habe, möchte ich gerne in Ruhe verbringen", so die Wienerin.
"Heute" fragte bei Wiener Wohnen nach, wie Hermine E. geholfen werden kann: "Frau E. wurde im Zuge eines persönlichen Beratungsgespräches über die Voraussetzungen und erforderlichen Unterlagen informiert. Sie gab an, dass sie sich für eine geförderte Zwei-Zimmer-Wohnung im 21. Bezirk interessiert. Die Vergabe von Gemeindewohnungen erfolgt jedoch in der Regel personenstandsgerecht (für eine Person, eine Ein-Zimmer-Wohnung, Anm.)", erklärt eine Sprecherin. Doch eine Ein-Zimmer-Gemeindewohnung kommt für die Pensionistin nicht infrage.
Smart-Wohnung als Alternative
Anders sei der Fall bei geförderten Wohnungen, etwa kostengünstigen Smart-Wohnungen: "Hier können Einzelpersonen einen zusätzlichen Wohnraum, wie von Frau E. gewünscht, erhalten. Die Betreuerin der Wohnberatung Wien hat einen Account für sie angelegt und die Wohnungssuche genau erklärt. Denn bei geförderten Wohnungen erfolgt die Suche auf der Website der Wohnberatung Wien durch die Interessent*innen selbst", so die Sprecherin abschließend. Doch Hermine E. ist mit der Internet-Suche überfordert, hat derzeit niemanden, der ihr dabei helfen könnte. Also bleibt sie weiterhin in ihrer Wohnung "gefangen"...
Auf den Punkt gebracht
- Hermine E., eine 73-jährige Wienerin, ist seit einem Straßenbahnunfall im Jahr 2020 schwer gehbehindert und lebt im dritten Stock eines Hauses ohne Aufzug, was ihr das Verlassen der Wohnung nahezu unmöglich macht
- Trotz mehrfacher Anträge und Bemühungen um eine barrierefreie Wohnung, stößt sie auf bürokratische Hürden und bleibt weiterhin in ihrer aktuellen, unzugänglichen Wohnung gefangen