In Parkplatzfalle getappt
Wienerin (70) half Obdachlosem – 399 Euro Strafe!
Sylvia E. brachte einem Obdachlosen eine Decke und heißen Tee. Ihr Auto parkte neun Minuten, nun erhielt sie eine 399-Euro-Strafe.
Sylvia E. (70) kennt sich sehr gut mit dem Angebot von Hilfsorganisationen aus, war sogar bis vor zwei Jahren noch ehrenamtlich in diesem Bereich tätig. Als sie am 28. Dezember 2023 gegen 16 Uhr einen Obdachlosen in einem Geschäftseingang in der Schelleingasse (Wieden) liegen sah, war es für die Pensionistin selbstverständlich, dem Mann zu helfen.
"Es war saukalt an diesem Tag. Ich habe daher mit meinem Auto für etwa drei Minuten direkt in der Einfahrt Schelleingasse 17 geparkt und dem Mann, der kein Wort Deutsch sprach, eine Decke aus meinem Auto gebracht", erzählt die 70-Jährige im Gespräch mit "Heute".
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„Für mich geht es hier nicht um eine Verkehrsbehinderung, sondern um Abzocke. Das ist widerlich“
Danach wollte Sylvia E. dem Obdachlosen noch heißen Tee aus einem nahe gelegenen Lokal holen und das Kältetelefon anrufen, stellte ihr Auto parallel zu einem Längsparkplatz in der Nähe der Einfahrt ab: "Das Ganze hat insgesamt vielleicht zehn Minuten gedauert. Es war auch nicht aus Jux und Tollerei, und ich war in Sicht- und Hörweite", so die Wienerin.
Doch im Jänner flatterte der 70-Jährigen von der Firma "Zupf di" eine Besitzstörungsklage ins Haus – sie soll nun 399 Euro Strafe zahlen: "Ich würde das akzeptieren, wenn es eine Strafe ist, weil ich jemanden behindert habe – das habe ich aber nicht. Für mich geht es hier auch nicht um eine Verkehrsbehinderung, sondern um Abzocke. Das ist widerlich", findet Sylvia E.
50:50 Geschäftsmodell von "Zupf di"
Wie berichtet, ist Sylvia E. nicht die Einzige, die bereits in die Parkfalle in der Schelleingasse getappt ist. Auch Gabriele F. (63) parkte an dieser Stelle nur wenige Minuten, um den Autoschlüssel ihrer Mutter in einer nahe gelegenen Autowerkstatt abzugeben und soll nun 399 Euro an "Zupf di" zahlen.
Das "Geschäftsmodell" von "Zupf di" ist einfach: Wird ein Privatparkplatz verstellt oder eine Zufahrt blockiert, können Betroffene die Fälle bei der Firma melden. Anschließend wird von "Zupf di" eine Besitzstörungsklage verschickt, 399 Euro verlangt. Dieser Betrag wird dann aufgeteilt – die Melder erhalten bis zu 200 Euro, der Rest geht an "Zupf di".
Parkplatz-Abzockfallen in und um Wien
Zupf di:
1040, Schelleingasse 17
1140, Lützowgasse 14a
Vösendorf, Am Teich
PV22, D22:
1010, Wiesinger Straße/Stubenring
1210, Prager Straße
1220, Franz-Eduard-Matras-Gasse
1220, Walter-Zeman-Gasse
1220, Breitenleer Straße
Urteil von Bezirksgericht als Warnung
Auch dem ÖAMTC ist das Vorgehen bereits bekannt: "Wir haben sicher dutzende Fälle zu dieser Firma. Es gibt ja auf diesem Gebiet zahlreiche Player, insgesamt sind es sicher mehrere hunderte Besitzstörungen, die bei uns gelandet sind", erklärt Nikolaus Authried, Leiter der Rechtsberatung Wien, NÖ und dem Burgenland.
Wer übrigens auf die Idee kommt, die 399 Euro nicht zu zahlen, wird von "Zupf di" gleich mit einem dem Brief beigefügtem Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt vorgewarnt: Darin wurde ein Pkw-Besitzer, der vor der Schelleingasse 17 geparkt hatte, zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.564 Euro verurteilt.
„Es darf primär festgehalten werden, dass jede – auch noch so gut gemeinte Tat – nicht ein Stehenbleiben vor einer Garagenausfahrt rechtfertigt“
Trotz ihrer Hilfsbereitschaft wird auch Sylvia E. zur Kasse gebeten, wie "Heute" auf Nachfrage von "Zupf di"-Geschäftsführer Stefan Saverschel erfuhr: "Es darf primär festgehalten werden, dass jede – auch noch so gut gemeinte Tat – nicht ein Stehenbleiben vor einer Garagenausfahrt rechtfertigt. Wie lange die Ausfahrt in der Folge tatsächlich blockiert wurde, ist rechtlich nicht von Belang."
Dass Sylvia E. ihr Auto parallel zu einem Längsparkplatz gestellt hat, sei ebenfalls nicht relevant: "Dass das Verbringen des Fahrzeuges in die 2. Spur an der angesprochenen Liegenschaft als Besitzstörung zu werten ist, wurde bereits in mehreren Gerichtsverfahren durch unabhängige Richter:Innen eindeutig festgestellt", so Saverschel weiter.
"Angebot" von "Zupf di"
Dafür wird Sylvia E. das "Angebot" unterbreitet, dass sie die Hälfte der Strafe wieder zurückbekommt: "Nach Rücksprache mit unserer Melderin in der Schelleingasse 17 wäre es kein Problem, die entsprechende, für den Tierschutz bestimmte Aufwandsentschädigung (200 Euro, Anm.) anstelle an das Tierschutzhaus an Frau E. zu überweisen", erklärt Saverschel.
Für die 70-Jährige kommt dies nicht in Frage: "Ich zahle dieser Firma sicher nichts. Ich warte, dass sie mich klagen", meint die 70-Jährige, die auf einen sogenannten Versäumungsendbeschluss setzen will: Dieser wird gefasst, wenn der oder die Angeklagte nicht vor Gericht erscheint. Die Strafe erhöht sich dann zwar, aber der Großteil geht an den Staat und nicht an "Zupf di".
Einstweilige Verfügung gegen Firma
Doch mittlerweile kam Bewegung in die Causa: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mittels einstweiliger Verfügung beschlossen, dass es "Zupf di" ab sofort nicht mehr gestattet ist, Aufforderungsschreiben an potenzielle Besitzstörer im Auftrag Dritter zu versenden. Begründet wird dies mit der Verletzung des Vorbehaltsbereiches der Rechtsanwaltsordnung sowie der Rechtsungültigkeit der behaupteten Besitzeinräumung.
Somit dürfen "Besitzstörer" nicht mehr zur Abgabe von Unterlassungserklärungen sowie zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert werden. Auch Vergleichsangebote seien nicht weiter gestattet. Als Reaktion darauf verlegte das Unternehmen den Firmensitz nach Großbritannien.
"Zupf di" will weitermachen
Für "Zupf di" mutet die einstweilige Verfügung auf "Heute"-Nachfrage "eigenartig an": "Unser Unternehmen ist gleichsam jedoch – weiterhin und völlig rechtmäßig – als zugelassenes, volles Sicherheitsgewerbe in Österreich tätig, und wird vorerst als beauftragtes Bewachungsunternehmen rechtskonform für unsere Auftraggeber einschreiten", heißt es.