Kritik an Lieferdiensten
Wiener Wirte schreiben brisanten Wut-Brief an Kanzler
Die Gastronomie erlebt turbulente Zeiten. In einem offenen Brief an den Kanzler kritisieren Wiener Wirte nun die Abhängigkeit von Lieferdiensten.
Laut "Standard"-Infos beteiligen sich mehr als 60 Wiener Gastronomen an der Aktion. Sie kritisieren die steigende Abhängigkeit von großen Lieferdiensten – dabei werden die Plattformen Foodora und Lieferando genannt.
Immer mehr Provision
Hauptkritikpunkt ist die hohe Provision, die man an die Zusteller verrichten müsse. Seien es während der Corona-Krise vier Prozent gewesen, zahle man mittlerweile bis zu 35 Prozent, rechnete ein Wirt vor, der jedoch nicht namentlich genannt werden möchte. "Mit zehn Prozent können wir leben, alles jenseits der 18 Prozent ist nicht finanzierbar", sagte er zur Tageszeitung.
Streiks drohen
In einem offenen Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer und weitere Regierungsmitglieder fordern die Gastronomen nun Unterstützung und politische Rückendeckung. Um sich Gehör zu verschaffen, stehen auch Streiks im Raum. Sie rechnen mit starker Unterstützung aus der Branche.
"Letscherte Nudeln"
Der NEOS-Nationalratsabgeordnete und Gastronom Sepp Schellhorn hält wenig von einer Kooperation zwischen Wirten und Essenszustellern: "Bevor ich mit Lieferdiensten zusammenarbeite, sperre ich lieber zu", wird der Politiker vom "Standard" zitiert. Laut ihm gibt es hier keine Gewinner – Fahrradboten, die nur vom Trinkgeld leben, Gastronomen mit leeren Lokalen und Konsumenten, die "lauwarme, letscherte Nudeln" serviert bekämen. Schellhorn rät den Gastronomen, sich abseits von Lieferdiensten Märkte zu suchen.
Peter Dobcak, Obmann der Wiener Gastronomie, machte vor allem auf die dritte Gruppe aufmerksam: "Das sind Boten der Lieferdienste, die völlig zu Recht auf eine bessere Entlohnung pochen." Das Problem: Würde man sie fair bezahlen, würden die Kosten weiter steigen – diese müssten wiederum die Gastronomen bzw. Gäste zahlen, erklärte Dobcak.
"Machen damit Verlust"
Eine Foodora-Sprecherin betonte, dass man maximal 30 Prozent Provision von Wirten verlange. Alle Kosten seien klar und transparent, gleichzeitig wies sie Vorwürfe scharf zurück, Foodora würde Gastronomen Strafen androhen, wenn diese Mindestumsätze und Fahrzeiten pro Lieferung festlegen. Laut der Sprecherin können Partner aus mehr als 30 Kombinationen wählen.
Bei Lieferando hingegen gebe es eine durchschnittliche Provision von 13 Prozent pro Bestellung, erklärte Lieferando-Sprecher Oliver Klug. 17 Prozent würden dann anfallen, wenn die gesamte Logistik an Lieferando ausgelagert wurde. Es gebe keine Einstiegs- oder Grundgebühr, Gastronomen könnten ihre Mindestbestellwerte frei festlegen. "Übrigens machen wir damit Verlust, zugunsten der Restaurants und der kollektivvertraglich vereinbarten fairen Löhne unserer Boten", ergänzte er gegenüber "Kurier".
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Wiener Wirte kritisieren in einem offenen Brief an den Kanzler die steigende Abhängigkeit von Lieferdiensten wie Foodora und Lieferando, insbesondere die hohe Provision von bis zu 35 Prozent
- Sie fordern politische Unterstützung und drohen mit Streiks
- Ein NEOS-Nationalratsabgeordneter warnt vor einer Kooperation mit Lieferdiensten und betont die Probleme für Fahrradboten, Gastronomen und Konsumenten
- Die Lieferdienste weisen die Vorwürfe zurück und betonen ihre transparenten Kostenstrukturen