Seltene Erkrankung

Wiener torkelt: "Alkohol ist aber nicht der Grund ..."

Bernhard Metz lebt seit 10 Jahren mit einer unheilbaren Erbkrankheit. Trotz zahlreicher Symptome lässt er sich seine Lebensfreude aber nicht nehmen.

Daniela Hamberger
Wiener torkelt: "Alkohol ist aber nicht der Grund ..."
Bernhard Metz lässt sich von der Krankheit seine Lebensfreude nicht nehmen.
Denise Auer

Der Wiener Bernhard Metz (35) ist verheiratet, Vater eines Sohnes und arbeitet Vollzeit als diplomierter Sozialbetreuer in einem Seniorenwohnhaus. Früher hatte er eine eigene Punkband und spielte Fußball, heute schreibt er gerne – Kreativität liegt ihm im Blut.

Doch es ist nicht immer alle wie es scheint, denn der fröhliche, junge Mann leidet seit rund 10 Jahren an den Symptomen der neuro-muskulären, progressiven Erberkrankung "Friedreich Ataxie". Im Gespräch mit "Heute" erzählt er von seinem Leben und der zermürbenden Suche nach einer Diagnose.

Muskeln werden immer schwächer

Es handelt sich dabei um eine sogenannte Multisystemerkrankung, denn der gesamte Mensch (inkl. Nervensystem, Muskeln, Organsystem und das psychische System) ist davon betroffen. Die Wahrscheinlichkeit an dieser äußerst seltenen Bewegungsstörung zu erkranken liegt bei 1:50.000. In Österreich leben laut der Selbsthilfegruppe "Friedreich Ataxie Austria" rein rechnerisch ca. 178 Personen mit dieser unheilbaren Krankheit. Der offizielle Kreis ist kleiner, da meist keine Diagnose vorliegt. Durch die immer schwächer werdenden Muskeln verschlechtert sich das Gangbild oder auch die Fähigkeit zu sprechen. Um die Krankheit zu vererben, müssten theoretisch beide Elternteile das Gen in sich tragen.

Der lange Weg zur Diagnose

Bernhard war 25 Jahre alt, als sich sein Leben für immer veränderte. "Ich war schon immer tollpatschig, aber da merkte ich, dass irgendetwas stimmt nicht mit mir". Er erinnert sich noch an ein Fußballspiel aus dieser Zeit, "ich schaffte es einfach nicht mehr gerade auf das Tor zuzulaufen". So begann seine "diagnostische Weltreise", wie er es nennt, denn kein Arzt konnte ihm sagen, woran er leidet. "Ein Arzt meinte nur, ich solle Kampfsport machen, um meine Muskeln zu stärken, dann wird das schon wieder. Keine sehr professionelle Diagnose".

Erst eine Orthopädin hatte die Idee, den jungen Wiener auf die seltene Erbkrankheit testen zu lassen. "Das Ergebnis der humangenetischen Blutuntersuchung bekam ich erst nach sechs Monaten. Und damit folgte die traurige Gewissheit". Seit mittlerweile 10 Jahren lebt der Wiener mit den Symptomen, eine genetisch gesicherte Diagnose erhielt er erst im März 2023. Seinen Alltag muss der Bernhard mittlerweile sehr bewusst leben und auch planen. "Einfachste Bewegungen verlangen nach neuen Strategien. Vom Wäsche aufhängen bis zum Öffi fahren. Alles dauert länger, wird schwieriger".

Berhard Metz beim "Heute"-Gespräch
Berhard Metz beim "Heute"-Gespräch
Denise Auer

Umfeld hat ihn aufgefangen

Viele ziehen sich nach Diagnosen dieser Art zurück, Bernhard hatte dazu aber gar keine Möglichkeit. "Mein familiäres Umfeld und meine Freunde haben mich von Anfang an wirklich gut unterstützt. Meine Ehefrau und mein Sohn lassen mich nicht aufgeben, sie geben mit Lebenswillen. Meine Frau war mir auch bei der Suche nach einer Diagnose eine große Hilfe". Eine Selbsthilfegruppe und der regelmäßige Austausch mit anderen Betroffenen haben ihm sehr geholfen, mit der Diagnose umgehen zu lernen.

"Das erste Treffen hatte große Bedeutung für mich, es macht was mit einem, wenn man sein Schicksal teilen kann". Mittlerweile ist er selbst Mitglied des Vorstands und unterstützt andere Betroffene auf ihrem Weg, mit der Krankheit umzugehen. "Ich empfehle es sehr, sich Unterstützung zu holen, dann ist man weniger allein mit seinen Sorgen".

Ein aktiver Alltag ist wichtig

Natürlich würde sich der Alltag verändern, weil Bewegungen oder auch das Sprechen schwieriger werden, Mitleid wolle er aber keines. Wichtig sei es, aktiv und fit zu bleiben. "Ein Kollege geht Pararudern, ich mache physiotherapeutisch unterstütztes Krafttraining". Damit möchte der Familienvater so lange wie möglich aktiv bleiben. "Die Krankheit verläuft bei jedem anders, manche sitzen schnell im Rollstuhl. Ich will so lange es geht gehen können".

Neben seiner Familie hält ihn auch sein Job weiterhin fit, denn er arbeitet 40 Stunden als Sozialbetreuer in einem Seniorenwohnhaus. "Ich war schon immer im Sozialbereich tätig und liebe es. Ich kümmere mich um Gedächtnistrainings oder das Musikquiz und lese den Bewohnern vor – auch wenn es immer mehr zu einer körperlichen Belastung für mich wird".

Neben dem finanziellen Aspekt sei es vor allem aber auch wichtig, eine gewisse Struktur beizubehalten. "Ich habe mich mit meinem Körper 25 Jahre lang sicher gefühlt, bis ein Tag mein Leben veränderte. Die Arbeit gibt mir Struktur und weiterhin das Gefühl, dass sich nicht alles ändern muss".

"Wir möchten keine Sonderbehandlung"

Wichtig ist Bernhard und auch den anderen Mitgliedern der Selbsthilfegruppe Aufmerksamkeit für die Krankheit, aber auch für einen achtsamen Umgang mit Betroffenen zu schaffen. Aufgrund der schwächeren Muskeln ändert sich auch das Gangbild der Betroffenen. "Immer wieder müssen wir uns anhören, dass wir doch nur betrunken sind und deswegen torkeln. Die Öffentlichkeit will Behinderungen einfach nicht wahrhaben. Die Welt ist nicht für Menschen mit Behinderung gemacht". Die Mitglieder der Gruppe wünschen sich mehr Respekt, denn der Mensch hinter der Krankheit werde oft vergessen.

Erstmals Medikament in der EU zugelassen

Die bisher unheilbare Krankheit bringt unter anderem Sehstörungen, Hörverlust, Sprach- und Schluckprobleme, Diabetes, Skoliose und schwere Herzerkrankungen mit sich. Die Lebenserwartung sinkt dadurch dramatisch.

Mit einem 2023 in der EU zugelassenen Medikament scheint es nun aber erstmals eine Therapiemöglichkeit zu geben. "Das Medikament Skyclarys soll die Verschlechterung der Symptome reduzieren. Ob es die Krankheit aufhalten kann, wird sich erst in Zukunft zeigen. Aber es ist eine sehr positive Nachricht", freut sich Bernhard.

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