Nach mehr als 100 Tagen Krieg
Widerstand gegen Israel-Premier Netanjahu wächst
Immer mehr Israelis fordern Neuwahlen und eine sofortige Feuerpause im Gazastreifen – auch zum Schutz der mehr als 130 Geiseln, die noch dort sind.
Der Krieg im Gazastreifen tobt weiter und während Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu (74) zwar eine zweimonatige Feuerpause anstreben soll, weist er Forderungen nach Neuwahlen ab.
Regierung verliert Vertrauen der Bürger
Während die israelische Nation in den Tagen nach der Terrorattacke geeint im Kampf gegen die Hamas schien, ändert sich derzeit die Stimmung im Land. Mehr als 100 Tage nach Beginn des Krieges in Gaza werden die Rufe nach Neuwahlen immer lauter. Netanjahu polarisiert, die Anzahl der toten israelischen Soldaten steigt.
In der israelischen Zeitung Yediot Ahronot schreibt Nadav Eyal: "Die israelische Öffentlichkeit entdeckt ihr politisches Stammesdenken wieder". Netanjahus Regierung verliere das Vertrauen der Bürger.
Beim Terrorangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober kamen 1.200 Menschen ums Leben, 250 Geiseln wurden in den Gazastreifen verschleppt. Während einer kurzen Feuerpause im November waren 105 von ihnen im Austausch gegen palästinensische Gefangene freigelassen.
Demonstranten nennen Netanjahu "Gesicht des Bösen"
In Gaza sind laut Hamas rund 25.000 Menschen durch israelische Angriffe ums Leben gekommen, darunter etliche Frauen und Kinder. Vor Ort herrscht eine katastrophale humanitäre Notlage – es fehlt an Nahrungsmitteln und Wasser- und Medizinvorräten. Internationale Kritik an Israels Vorgehen hat bei den Vereinten Nationen zu einer Anklage geführt, dass Israel einen Völkermord gegen das palästinensische Volk verübe. Diesen Vorwurf streitet die israelische Regierung vehement ab.
„Auf dem Höhepunkt des Krieges, in dem unsere Soldaten fallen und ihre Leben riskieren - in der Mitte dieses Krieges wollt ihr den Krieg stoppen? Ich glaube, dass man sich jetzt auf die Erfüllung der Ziele konzentrieren muss. Danach wird es Zeit für Politik geben.“
Auf Demonstrationen in den vergangenen Tagen haben israelische Bürger in Tel Aviv und anderen Städten die israelische Kriegsführung stark kritisiert. Sie forderten Neuwahlen und nannten Netanjahu das "Gesicht des Bösen". Erst vor kurzem wurden bei einer Explosion mehr als 20 israelische Soldaten getötet. Bei Neuwahlen würden der Ministerpräsident und seine momentanen Koalitionspartner allerdings laut Umfragen keine Mehrheit erlangen.
Geiselangehörige wollen Verhandlungen
Besonders Geiselangehörige fürchten, dass der Krieg im Gazastreifen nicht für die Freilassung der Gefangenen führen wird. Viele Israelis sind nicht davon überzeugt, dass ein anhaltender Militäreinsatz zur Freilassung der noch immer mehr als 130 Hamas-Geiseln führen wird. Sie fordern Verhandlungslösungen zwischen Regierung und Hamas, um die Verschleppten zurück nach Israel zu bringen.
Israels Regierung hält indes weiter an ihrem militärischen Vorgehen im Gazastreifen fest. Auch nach einer etwaigen Feuerpause solle der Krieg nicht zu Ende sein. Laut Angaben des Militärs wurden etwa 100 Hamas-Terroristen bereits getötet.
Netanjahu ist der dienstälteste Regierungschef Israels. Seine Gegner werfen ihm vor, dass er keine klare Vision für das Ende des Krieges im Gazastreifen habe und vermuten, dass sein Vorgehen von politischer und persönlicher Motivation geprägt ist. So wolle er etwa seine ultraorthodoxen Unterstützer nicht vergraulen und von Korruptionsklagen gegen sich selbst ablenken.