"The Holdovers" im Kino
Weihnachten kommt heuer 11 Monate zu früh!
Es mag absurd klingen, sich jetzt im Kino einen Weihnachtsfilm anzuschauen, aber "The Holdovers" wird sie echt glücklich machen!
Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass mittlerweile die meisten Filme gleichzeitig in den USA und Europa erscheinen. Diese Regel gilt vielleicht für große Blockbuster - oder das, was die Filmfirmen für potentielle Blockbuster halten- , nicht aber für kleine amerikanische Künstlerfilme. Und der größte kleine Künstlerfilm aus Amerika ist aktuell mit Abstand "The Holdovers" von Regisseur Alexander Payne. Der hat bereits mit tragikomischen Meisterwerken wie "Sideways", "About Schmidt" oder "The Descendants" bewiesen, dass großes Hollywood-Kino nicht immer ein gigantisches Budget braucht. Das benötigte er für "The Holdovers" (ab 25. Jänner im Kino) auch nicht. Der Film startete bereits im Herbst 2023 in den USA, also rechtzeitig vor Weihnachten. Aber auch wenn der Filmstart bei uns jetzt zumindest fünf Wochen zu spät erfolgt, sollte man sich trotzdem in diese Weihnachtsstimmung versetzen lassen.
Wie schon in "Sideways" (2004) setzt Payne hier auf eine fantastischen Paul Giamatti, der in "The Holdovers" den verbitterten, stocksteifen und mieselsüchtigen Internats-Professor Paul spielt. Der hat es sich wegen seinen meist unfairen Benotungen so sehr mit der Schulleitung der elitären Barton Academy in Neuengland verscherzt, dass er dazu verdonnert wird, Weihnachten 1970 an der Schule zu verbringen, und zwar mit jenen Schülern und Angestellten, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht nach Hause fahren können. Am Ende bleiben neben ihm nur der Schüler Angus und die Köchin Mary übrig. Angus (toll: Schauspiel-Entdeckung Dominic Sessa in seiner ersten Rolle) ist ein guter Schüler, aber verhaltensauffällig. Und Mary (Da’Vine Joy Randolph, "Only Murders In The Building") hat gerade erst ihren Sohn im Vietnam-Krieg verloren und ist deswegen alleine.
Ähnlich wie bei "The Breakfast Club" von John Hughes ist diese kleine unfreiwillige Seilschaft nun dazu verdonnert, die Zeit miteinander zu verbringen. Und je mehr Zeit das Trio miteinander verbringt, umso mehr öffnen sich die Figuren ihren Gegenübern. Was jetzt klingt wie ein schweres Drama, ist gespickt mit fast schon absurder Situationskomik, denn je länger das Trio am Internat einkaserniert ist, umso mehr steigert sich ihre Lust die Welt draußen zu erkunden. Das das wird auch gemacht. Dabei wird ergründet, warum Angus niemanden mehr in seinem Leben haben dürfte, wie Marys Sohn umkam und wie Paul zu jenem Misanthropen wurde, als der er von allen gesehen wird. Und die drei extrem unterschiedlichen Charaktere kommen immer mehr drauf, dass sie gar nicht so unterschiedlich sind. Weihnachten war schon lange in keinem Film so trist und gleichzeitig so lustig wie in "The Holdovers".
Paul Giamatti und Da’Vine Joy Randolph haben für ihre Rollen bereits Golden Globes als beste Hauptdarsteller in der Kategorie Komödie gewonnen, ihre Oscar-Nominierungen waren also ebenso abzusehen. Nachdem es bei den Oscars aber keine Unterscheidung zwischen Drama und Komödie gibt, sind beide gegen Cillian Murphy ("Oppenheimer") und Emma Stone ("Poor Things") praktisch chancenlos, was wirklich schade ist. Ganz ohne Effekte erzählt Alexander Payne von drei Figuren, die gerade zu Weihnachte zu spüren bekommen, wie gebrochen sie sind, nur um dann doch festzustellen, dass sie ihr Schicksal komplett selber in der Hand haben. Ein schöner Film!