Prozess in Wien
Von Istanbul aus legten Fake-Polizisten Opfer rein
Eine 27-Jährige soll aus der Türkei Senioren in Wien angerufen haben, sie wurden um ein Vermögen gebracht. Eine Zeugin erkannte ihre Stimme.
Fast täglich werden Pensionisten in Wien mit betrügerischen Telefon-Tricks um ihre Ersparnisse gebracht – der Schaden beträgt oft Zigtausende Euro. Eine 27-jährige Wienerin mit türkischen Wurzeln gab nun vor Gericht einen seltenen "Backstage"-Einblick in die Machenschaften der "falschen Polizisten".
Call Center in Istanbul
"Ich war in Istanbul, in einem Club lernten wir einen Mann kennen", erzählte die 27-jährige Angeklagte in akzentfreiem Hochdeutsch vor dem Richter. Er habe sie und ihre Freundin für die Arbeit in einem Call-Center angeheuert. Schnell sei klar gewesen, worum es geht. Das "Office" der "falschen Polizisten" habe sich in einem Einfamilienhaus in Istanbul befunden. Aus Online-Telefonbüchern habe man sich Wiener mit "alt klingenden Namen" herausgesucht und angerufen. Sie sei nur wenige Tage zum "Schnuppern" dort gewesen, habe keine "Abschlüsse" gehabt.
"Menschen um Ersparnisse gebracht"
Die Staatsanwaltschaft Wien warf der gut gebrieften Angeklagten "gewerbsmäßigen Betrug" und "kriminelle Vereinigung" vor. Die Bande soll über 250 Taten begangen und 12 Millionen Euro Schaden verursacht haben, so der Staatsanwalt. "Alte Menschen wurden getäuscht und um ihre Lebensersparnisse gebracht."
Falscher Polizist holte Geld ab
Die 27-Jährige soll sich am Telefon als Bankangestellte Maria oder Anna Hill ausgegeben haben. Pensionistinnen wurde erzählt, ein Unbekannter habe versucht mit einem gefälschten Ausweis einen größeren Geldbetrag abzuheben. Das sei aber verhindert worden. Die verunsicherten Seniorinnen wurden mit Polizist "Lukas Steiner" verbunden, der dann einen "Kollegen" zu ihnen schicken wollte, um Wertsachen und Ersparnisse abzuholen.
Stimmen-App zur Täuschung
Im Call-Center sei auch ein sogenannter "Voice-Changer" verwendet worden, um Stimmen professionell zu imitieren. So sei es beispielsweise einem Mann möglich gewesen, mit einer Frauenstimme am Telefon zu sprechen.
Von Bekannter belastet
Die Angeklagte bekannte sich teilschuldig, wies die Betrugsvorwürfe zurück, wollte Instagram-Posts als Entlastung vorbringen. Belastet wurde die 27-Jährige von einer Bekannten. Diese hatte in der Einvernahme ausgesagt, die Wienerin sei "ein Profi" gewesen, habe "gleich am ersten Tag einen Treffer" gehabt. Die 27-Jährige sprach von einer Lüge, sie habe niemanden geschädigt. "Gott hat das nicht zugelassen, zum Glück."
Opfer erkannte Stimme
Eine Zeugin (73) erkannte die Angeklagte sofort an der Stimme wieder, sie sei damals auf den Telefontrick von "Anna Hill" aber nicht hereingefallen. "Ich habe sofort gemerkt, irgendwas stimmt hier nicht."
Täter kam mit FFP2-Maske
Eine andere Seniorin (86) hatte weniger Glück. Sie verlor 39.000 Euro. "Ich bin von einem vermeintlichen Betrugsdezernat angerufen worden, war wie hypnotisiert", erklärte die Zeugin. Sie sei auf die Masche hereingefallen. Ein Abholer gab sich als Polizist "Mario Tischler" aus, er habe eine Kappe und eine FFP-2-Maske aufgehabt, erleichterte die Frau um Ersparnisse in der Höhe von 39.000 Euro. Die Stimme der Angeklagten erkannte sie im Gerichtssaal aber nicht wieder.
Teilbedingte Haft
Die Angeklagte wurde vom Betrugsvorwurf freigesprochen, wegen krimineller Vereinigung setzte es 18 Monate Haft, davon zwei unbedingt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es gilt die Unschuldsvermutung!