Englischer Reporter erregt

Vernichtende ÖFB-Kritik: "Seit Jahrzehnten unbedeutend"

Das ÖFB-Team begeistert bei der EM über die Landesgrenzen hinweg. Ein renommiertes Fachportal übt jedoch vernichtende Kritik an "Red Bull Österreich".

Sport Heute
Vernichtende ÖFB-Kritik: "Seit Jahrzehnten unbedeutend"
ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick und Star Marko Arnautovic.
Sebastian Christoph Gollnow / dpa / picturedesk.com

Unbändiges Angriffspressing, enges Teamgefüge, lockere Stars ohne Allüren – diese Attribute begeistern Fußball-Fans rund um den Globus und machen das ÖFB-Team bei der EURO im Nachbarland zum allseits beliebten Geheimfavoriten.

Die Stimmung im und rund um die ÖFB-Elf des deutschen Teamchefs Ralf Rangnick kennt wortwörtlich keine Grenzen. Auch medial. Rangnick wird von der internationalen Fachpresse als Fußball-Professor gehuldigt, dem österreichischen Verband rund um Sportdirektor Peter Schöttel für den Trainer-Coup gratuliert.

Das renommierte Fachportal "The Athletic" sucht aber das Haar in der Suppe. Einige pointierte Zeilen der detaillierten Abhandlung über die erfolgreiche EM-Vorrunde des ÖFB-Teams versetzen der rot-weiß-roten Fußball-Seele einen Stich. Ebendiese scheint der britische Autor der heimischen Auswahl absprechen zu wollen.

Magazin schießt gegen ÖFB-Team

Der Athletic schreibt: "Österreich ist eines der kulturell reichsten und schönsten Länder Europas. Die Heimat von Mozart, von Strauss. Vor einem Jahrhundert inspirierten seine Kaffeehäuser einige der zukunftsweisendsten Fußballansätze seiner Zeit. Aber sein aktueller Fußballstil lässt sich direkt mit etwas deutlich weniger Romantischem verbinden. Der österreichische Fußball ist im Wesentlichen eine Erweiterung einer Marketingkampagne."

Was gemeint ist? Die Mateschitz-Marke Red Bull. Zugegeben, der Fußabdruck – vielmehr die Hufspuren – des Salzburger Konzerns ist bei der EURO nicht zu verleugnen. Viele der ÖFB-Kicker durchlief die Schule des Red-Bull-Netzwerks oder kickt immer noch in Leipzig oder Salzburg. Rangnick gilt als strategisches Mastermind hinter dem Erfolg der beiden Mannschaften und hat jene DNA mitentwickelt, die nun sinnbildlich für die Auftritte des Nationalteams stehen. Wer Red-Bull-Fußball hört, denkt an Rangnick, hochintensives Angriffspressing und spätestens seit der EURO auch an Österreich.

Österreich gegen Niederlande – die Noten

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    Österreich schlägt Holland 3:2, sichert sich den Gruppensieg. Die ÖFB-Stars in der Einzelkritik.
    Österreich schlägt Holland 3:2, sichert sich den Gruppensieg. Die ÖFB-Stars in der Einzelkritik.
    Reuters

    "Österreich ein Werbeplakat"

    Der "Athletic" schreibt: "Viele Journalisten und Experten promoten freudig den 'Red-Bull-Fußball', ohne sich darum zu kümmern oder sich darüber im Klaren zu sein, dass Österreich genauso ein Werbeplakat wie eine Fußballmannschaft ist, was deprimierend ist. Während wirtschaftliche Faktoren offensichtlich eine große Rolle für das Niveau der jeweiligen Nationalmannschaften spielen und der internationale Fußball in vielerlei Hinsicht kaum von den Übeln des Kapitalismus getrennt ist, hat der internationale Fußball etwas Reineres, weniger Unternehmensorientiertes an sich."

    Der internationale Fußball, im aktuellen Fall der europäische Verband Uefa, lässt sich sein Kontinentals-Turnier übrigens mit Geld aus umstrittenen Quellen finanzieren. 5 von 13 internationalen EM-Sponsoren stammen aus Katar oder China und sind mit möglichen Verbindungen zu Zwangsarbeit, der Unterdrückung chinesischer Uiguren oder für den fehlenden Schutz Minderjähriger konfrontiert. Die letzte WM wurde bekanntlich 2022 in Katar ausgetragen, hierfür von der Fifa sogar in den Winter verlegt.

    TEAMInsider – alle Analysen von "Heute"-Experte Dragovic

    "Österreich seit Jahrzehnten fußballerisch unbedeutend"

    Dennoch wird dem Athletic-Autor beim Gedanken an das ÖFB-Achtelfinale gegen die Türkei übel: "Es gibt keine Firmenlogos auf T-Shirts. Aber der gesamten Spielweise Österreichs ist ein großes Firmenlogo eingeprägt. Es ist eine zusammenhängende und eigenständige Art, das Spiel zu spielen, und erfordert eine sorgfältige Planung und Vorbereitung. Letztendlich handelt es sich jedoch um eine Erweiterung einer Marketingkampagne, und heute Abend wird es in Leipzig in einem Stadion namens Red Bull Arena ausgestellt. Wenn Ihnen das nicht ein leichtes Übelkeitsgefühl bereitet, haben Sie offensichtlich noch nie eine Jägerbombe erlebt."

    Das Online-Magazin urteilt weiter: "Österreich, seit Jahrzehnten fußballerisch unbedeutend, hat sich zweifellos auf seine Methoden eingelassen. Klappt es? Unklar. Red Bull Salzburg hat die österreichische Bundesliga zu einer Ein-Mannschafts-Liga gemacht."

    Der Athletic kritisiert auch die Spielweise an sich: "Rangnicks österreichische Mannschaft schaffte in der Gruppenphase die zweitmeisten Zweikämpfe, hatte aber nur die 16. höchste Passquote. Schönheit liegt im Auge des Betrachters, aber dieser Ansatz führt tendenziell zu hektischen Spielen mit vielen Ballverlusten und wenig Rücksicht auf den sorgfältigen Umgang mit dem Ball. Es kommt eher auf das Tempo als auf die Technik an. Es ist perfekt für eine Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird."

    So sei der Gruppensieg vor den Top-Nationen Frankreich, Niederlande und Polen auch dem Faktor Glück zuzuschreiben: "Es war auch eine Überraschung, wenn man sich die erwarteten Torzahlen ansieht. Hätte die Wertung diesen Zahlen entsprochen, hätte Österreich gegen Frankreich verloren, gegen Polen unentschieden gespielt und gegen die Niederlande verloren und wäre mit einem einzigen Punkt aus dem Turnier ausgeschieden." Die angesprochenen Werte? Ein Vergleich der Expected-Goals-Daten, wonach Österreich nach Georgien das vermeintlich schwächste Team im Achtelfinale sei.

    In den Kommentaren unter dem Text fragt ein Athletic-User: "Dieser Artikel fühlt sich komisch persönlich an. Was hat Rangnick Michael Cox getan?" Der Autor antwortet: "Nichts – ich mag nur nichts von dem, was er repräsentiert."

    red
    Akt.