Pélicot bleibt stark
Vergewaltigungsopfer wird vor Gericht angebrüllt
Während des größten Vergewaltigungsprozesses der vergangenen Jahre muss das Opfer, Gisèle Pélicot, weitere Demütigungen ertragen.
Seit rund einem Monat läuft im französischen Avignon ein Prozess, der mit Sicherheit in die Geschichte eingehen wird: Dominique Pélicot soll seine Frau Gisèle jahrelang sediert und vergewaltigt haben – gleichzeitig bot er sie unzähligen anderen Männern zur Vergewaltigung an. Seine Taten zeichnete er fein säuberlich auf Video auf.
Alle mutmaßlichen Täter sowie Dominique Pélicot stehen derzeit vor Gericht – und werden von Anwälten verteidigt. Manche von ihnen wenden allerdings äußerst perfide Taktiken an, um die Schuld von ihren Mandaten zu schieben. Im Interview mit der "Zeit" berichtet einer der Anwälte von Gisèle Pélicot, Stéphane Babonneau, seine Mandantin werde zeitweise verbal angegangen.
Anwälte verfolgen Victim-blaming-Strategie
"Manche brüllen sie vor Gericht an und suchen fadenscheinige Argumente, um ihr eine angebliche Mittäterinnenschaft nachzuweisen", berichtet Babonneau. Teilweise würden die Verteidiger auch Bilder von Gisèle Pélicot zeigen, auf denen sie mit einer Sexpuppe oder in einer sexualisierten Pose gezeigt werde – alles, um ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die Fotos wurden aber ohne ihr Wissen, häufig sogar, ohne dass sie bei Bewusstsein war, aufgenommen.
Der Anwalt eines Angeklagten hätte sie sogar gefragt, ob sie exhibitionistische Neigungen habe, erzählt Babonneau. "Diese Unterstellungen haben Gisèle Pélicot sehr mitgenommen. Aber sie blieb im Gerichtssaal – auch um allen Opfern zu zeigen, dass diese Art der Verteidigungsstrategie nicht fruchten darf."
Täter weisen Schuld von sich
Viele der Männer, die sich am schlafenden Opfer vergingen, behaupten, der Akt sei einvernehmlich gewesen. Sie sagen, ihnen sei nicht klar gewesen, dass Gisèle Pélicot bewusstlos war. Manche geben auch an, Dominique Pélicot hätte sie in eine Falle gelockt, indem er auf Swingerforen im Internet seine Frau zum Sex anbot. Babonneau hält diese Argumentation für fadenscheinig: "(...)Aber warum ist dann niemand umgekehrt? Warum hat niemand die Polizei gerufen, nachdem er eine offensichtlich bewusstlose Frau im Ehebett vorfand?"
Außerdem hebt er immer wieder die Stärke seiner Mandantin hervor, die bisher zu jedem einzelnen Prozesstag erschienen ist – obwohl sie dies gar nicht müsste. Dort muss sie jeden Tag ihren Peinigern ins Gesicht schauen. Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin, findet der Prozess in aller Öffentlichkeit statt, was absolut unüblich ist.
"Gisèle Pélicot will mit diesem Prozess ein Zeichen setzen und spürt eine große Verantwortung für alle anderen Opfer, die nicht die Möglichkeit haben, ihre Vergewaltiger anzuzeigen oder die über keine materiellen Beweise verfügen. Sie hat die Kraft dazu", fügt ihr Anwalt hinzu.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Im Vergewaltigungsprozess gegen Dominique Pélicot und mehrere mutmaßliche Täter muss das Opfer, Gisèle Pélicot, weitere Demütigungen ertragen, da Anwälte perfide Taktiken anwenden, um ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben und die Schuld von ihren Mandanten abzuwenden
- Trotz der verbalen Angriffe und Unterstellungen bleibt Gisèle Pélicot stark und setzt sich öffentlich für alle Opfer ein, die keine Möglichkeit haben, ihre Vergewaltiger anzuzeigen