Nahostkonflikt
UNO-Soldat: "Waren der Hisbollah völlig ausgeliefert"
Im Südlibanon kam es zuletzt zu Zusammenstößen zwischen UN-Truppen und israelischen Soldaten. Ein Ex-Soldat übt nun Kritik an der UNO.
Im Süden Libanons stoßen die israelischen Truppen weiter vor: Wie eine Karte von BBC zeigt, wurden seit dem 1. Oktober Evakuierungsbefehle für Gebiete ausgesprochen, die sich immer weiter nördlich befinden. So rief die IDF am 17. Oktober die Anwohner diverser Orte im Beeka-Tal auf, das Gebiet zu verlassen. Das Tal liegt etwa 100 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt.
Bei ihrem Vorstoß sind die Truppen Tel Avivs bereits mehrmals auf Soldaten der Unifil-Mission getroffen, wobei es auch immer wieder Konflikte gab. UN-Generalsekretär Guterres forderte, die Integrität der Friedenstruppen zu wahren, während der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu die UN-Truppen dazu aufrief, aus dem Gebiet abzuziehen.
Diesen Auftrag hat die Unifil seit 2006
Nun hat ein ehemaliger Soldat der Unifil in einem Interview über seine Erlebnisse im Südlibanon gesprochen – und dabei schwere Vorwürfe gegen die UNO erhoben. Bei der Gründung der Friedensmission im Jahr 1978 lautete das Hauptziel der Unifil, den "Frieden und die Sicherheit im Süden des Libanons insbesondere entlang der Grenze zu Israel zu unterstützen" – seither hat sich dieser Missionsbeschrieb aber mehrmals geändert.
Im Zuge des dritten Libanonkrieges im Jahre 2006 wurde das Mandat deutlich erweitert und die Truppenstärke von 2000 auf 15'000 Soldaten angehoben. Diese sollten die von Israel besetzten Stellungen nach deren Abzug übernehmen und "sicherstellen, dass in dem Gebiet südlich vom Fluss Litani keine bewaffnete Miliz herumstreift".
"UNO-Soldaten sind Schutzschilde der Hisbollah"
Dieser Auftrag scheint gründlich gescheitert. Laut israelischen Angaben seien im Zuge der Libanon-Offensive bereits Tunnel der Hisbollah-Terrormiliz in unmittelbarer Nähe von Unifil-Stützpunkten entdeckt worden. Netanyahu warf der Friedenstruppe gar vor, der Hisbollah "als menschliche Schilde" zu dienen.
In einem Interview mit der dänischen Zeitung« BT» teilt nun ein ehemaliger Soldat diese Kritik. Der als Martin bezeichnete Mann wurde vor zehn Jahren im Rahmen der Untso-Mission (United Nations Truce Supervision Organisation) in den Libanon entsandt. Die am längsten andauernde Mission der Vereinten Nationen arbeitet eng mit der Unifil zusammen und nutzt auch oft deren Stützpunkte.
So erlebte UNO-Soldat Martin die Situation
Wie Martin sagt, seien sie der Terrormiliz völlig ausgeliefert gewesen. "Wir hatten offensichtlich eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Aus Angst vor der Hisbollah haben wir zum Beispiel nie nach Einbruch der Dunkelheit operiert. So hatten sie in den Abend- und Nachtstunden Freizeit", berichtet der Soldat.
„Hisbollah hatte in den Abend- und Nachtstunden Freizeit.“
Wenn die UN-Soldaten versucht hätten, Gebiete zu erreichen, in denen mutmaßliche Kämpfer der Terrormiliz operierten, hätten unbewaffnete Hisbollah-Anhänger die Straßen blockiert und sie nicht passieren lassen.
Entlang der sogenannten "blauen Linie", der Demarkationslinie der UNO, habe er zudem immer wieder zivil bekleidete Personen beobachtet, die die israelischen Militäranlagen fotografierten. "Als das passierte, haben wir uns zurückgezogen und aus der Ferne beobachtet – wir wurden einfach dazu angewiesen." Auch das Filmen und Fotografieren sei den UN-Soldaten und -Mitarbeitenden nicht möglich gewesen, da die Einheimischen sonst ihre Kameras beschlagnahmt hätten.
Angst vor und Kooperation mit der Hisbollah
Schon damals kontrollierte die Terrormiliz offenbar weite Teile des alltäglichen Lebens im Südlibanon: "Die Zivilisten, denen die Hisbollah egal war, insbesondere die Christen, hatten Angst, sich gegen sie auszusprechen. Die Angst vor ihnen war weit verbreitet. Aber gleichzeitig erlebten wir eine Zusammenarbeit mit den schiitischen Muslimen. Wir hatten zum Beispiel eine Reihe von Dolmetschern, die in die Hisbollah indoktriniert wurden. Einmal habe ich einen von ihnen aus meinem Auto geworfen, als er Hassan Nasrallah lobte."
„Es bestätigt: Die UNO ist inkompetent.“
Seitens der UN habe man trotz der offensichtlichen Macht, die die Hisbollah im Gebiet offensichtlich hatte, keine Maßnahmen ergriffen – dabei hat die Unifil den expliziten Auftrag, eine solche Verbreitung zu verhindern: "Wir haben unseren Vorgesetzten täglich Verstöße gegen die Resolution 1701 (jene aus dem Jahr 2006, Anm. d. Red.) gemeldet, aber es ist nie etwas passiert", berichtet Martin. "Es bestätigte nur, was ich in anderen Ländern, in die ich entsandt wurde, erlebt hatte: Die UNO ist inkompetent", so das ernüchternde Fazit des ehemaligen UN-Soldaten.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die UNO soll ihren Soldaten vor Ort über Jahre verunmöglicht haben, die Ausbreitung der Hisbollah zu verhindern
- Dies berichtet ein ehemaliger Soldat, der für die Vereinten Nationen im Südlibanon stationiert war
- So hätte die Terrormiliz etwa am Abend und in der Nacht freie Hand gehabt, da die UNO-Truppen nur am Tag operierten