Weltkriegs-Gemisch

Ukrainische Drachendrohnen – so brutal wirkt Thermit

Drohnen spielen im Ukrainekrieg eine große Rolle. Vergangene Woche ließ die Ukraine mit ihrer Hilfe erstmals Thermit auf russische Stellungen regnen.

20 Minuten
Ukrainische Drachendrohnen – so brutal wirkt Thermit
Nach dem mutmaßlichen Thermit-Abwurf bei Charkiw brennt am Boden die Vegetation.
Telegram/Khorne Group

Ob zum Ausschalten feindlicher Drohnen, zur Aufklärung oder als Kamikaze-Waffe: Die Ukraine nutzt die unbemannten Flugobjekte immer wieder, um den russischen Angreifern etwas entgegenzusetzen. Nun haben sie die Drohnen offenbar mit einer Munition bestückt, die schon in den Weltkriegen zum Einsatz kam: Thermit.

Gleich mehrere Videos, die in der letzten Woche auf Telegram und Social Media veröffentlicht wurden, zeigen, wie Drohnen ein brennendes Material über bewaldetem Gebiet abwerfen und es so in Brand setzen. Weil das Fallen des Thermits dem Feuer ähnelt, das aus dem Maul mythischer Drachen kommt, werden sie auch als Drachendrohnen bezeichnet.

Was ist Thermit?

Thermit wurde bereits in den 1890er Jahren vom deutschen Chemiker Hans Goldschmidt entwickelt. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Aluminium und Eisenoxid (Rost), das etwa im Gleisbau verwendet wird, um Schienenenden nahtlos miteinander zu verschweißen. Thermit ist nicht explosiv, erzeugt aber – wenn es gezündet wird (siehe Box) – Temperaturen von bis zu 2200 Grad Celsius. Damit kann es so gut wie jedes Material durchdringen, auch Stahl.

"Damit ist es ideal geeignet, um Geräte, Fahrzeuge und Bunker außer Gefecht zu setzen, so die britische Organisation Action on Armed Violence (AOAV). Die ukrainische Armee würde Thermitbomben schon länger gegen verlassene russische Panzer einsetzen. Diese würden von Drohnen direkt durch die Luken geworfen, "wo die intensive Hitze alles im Inneren schnell entzündet und zerstört."

Thermit: Gefährlich, wenn es brennt
Thermit zündet ab einer Temperatur von 1500 Grad Celsius. Diese wird etwa mit einem pyrotechnischen Anzünder erreicht. Thermitfeuer gelten als unlöschbar. Da brennendes Thermit keinen externen Sauerstoff benötigt, sondern ihn selbst mitbringt, kann es nicht erstickt werden und in jeder Umgebung – auch unter Sand oder Wasser – gezündet werden und weiterbrennen. Ein Thermitfeuer wird rund 2400 Grad heiß und endet erst, wenn die dem Feuer zugrundeliegende Redoxreaktion zu Ende ist.

Ist der Abwurf von Thermit denn erlaubt?

Es kommt darauf an: Nach internationalem Recht ist Thermit für militärische Zwecke nicht verboten. Untersagt hingegen ist der Einsatz gegen zivile Ziele – wegen der verheerenden Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Wie Spiegel.de schreibt, dürften Brandwaffen, zu denen auch Thermit zählt, auch nicht in Wäldern eingesetzt werden, "es sei denn, darin werden militärische Fahrzeuge oder Geschütze versteckt." Das Büro der Vereinten Nationen für Abrüstung (Unoda) weist darauf hin, dass Brandwaffen enorme Zerstörung und Umweltschäden verursachen könnten.

Gegen wen oder was wurde abgeworfenes Thermit eingesetzt?

Den verschiedenen Videos zufolge kamen die Drachendrohnen an verschiedenen Orten zum Einsatz. Mindestens einer der Angriffe soll sich in der Oblast Saporischschja im Südosten der Ukraine ereignet haben. Mindestens ein anderer galt laut Cnn.com von den Russen gehaltene Stellungen in den Baumreihen in der Nähe von Charkiw.

Ob es sich bei dem von den Drohnen abgeworfenen Material tatsächlich um Thermit handelt, lässt sich nicht unabhängig überprüfen. Doch laut verschiedenen Fachleuten spricht einiges dafür.

Was könnte die Motivation für einen solchen Angriff sein?

Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Laut dem US-Militärexperten Chad Scott könnte der Abwurf über Bäumen dafür sprechen, dass der Abwurf dazu diente, die Vegetation zu lichten, um zu sehen, was am Boden passiert. "Oder um das Gebiet für eine künftige Nutzung [durch die Russen] unbrauchbar zu machen", wie er auf Tiktok erklärt. Denn die Baumreihen böten diesen "eine Menge Deckung und Versteckmöglichkeiten." Er könnte auch der Zerstörung von Kriegsmaterial dienen. So sieht es auch die Waffenexperten Matthew Moss und Martin J. Dougherty, die Kyivindependent.com zitiert. Spiegel.de nennt noch einen weiteren möglichen Grund: Die Ukrainer könnten mithilfe der Thermit-Drohnen auch "Löcher in die Auffangnetze der Russen brennen", die "eigentlich Haubitzen und andere Waffen vor Angriffen aus der Luft schützen" sollen.

Sollten sich Russen in den Wäldern befinden, bliebe ihnen nichts anderes als zu fliehen, so Scott in einem weiteren Clip. Dadurch würden sie "zu Zielen für andere Arten von Artillerie."

Mindestens 82 Brandwaffen-Attacken im Ukrainekrieg

Zwischen dem Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 und April 2023 hat es laut HRW mindestens 82 Angriffe mit bodengestützten Brandwaffen gegeben. Die Attacken haben in mindestens sieben ukrainischen Regionen stattgefunden: Dnipropetrowsk, Donezk, Charkiw, Kiew, Luhansk, Mykolajiw und Saporischschja. Nicht immer sei klar, welche chemische Verbindung zum Einsatz kam. Auch sei es nicht immer möglich, die Verantwortung für bestimmte Angriffe zuzuweisen, aber Russland und die Ukraine besitzen beide die gleichen Arten von Brandwaffen, darunter 122-mm-Grad-Raketen, die Brandwaffen tragen.

Russland wurde mehrfach der Einsatz von weißen Phosphorbomben vorgeworfen, etwa bei den Kämpfen um das Asow-Stahlwerk in Mariupol im Mai 2022 sowie in Bachmut im Mai 2023 eingesetzt zu haben.

Auch in anderen Orten und Gegenden sollen Phosphorbomben eingesetzt worden sein, Moskau bestreitet das.

Die Bilder des Tages

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
    21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • Vergangene Woche wurden erstmals Videos veröffentlicht, die ukrainische Drohnen beim Abwurf von geschmolzenem Thermit zeigen sollen
    • Thermit kann Temperaturen von bis zu 2200 Grad Celsius erreichen und wird oft zur Zerstörung von Fahrzeugen und Bunkern verwendet
    • Der Einsatz von Thermit ist nach internationalem Recht nicht grundsätzlich verboten, allerdings nicht gegen zivile Ziele erlaubt
    • Für Menschen kann ein Kontakt mit Thermit schlimme Folgen haben
    20 Minuten
    Akt.