Strenge Richtlinien geplant
Überraschende Raucher-Wende bei EU-Knallhart-Regeln
Die EU will im Kampf gegen den Krebs auf strengere Richtlinien setzen – unter anderem beim Rauchen. Für Ursula von der Leyen ist das eine Priorität.
Die EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, hat den Kampf gegen Krebs als politische Priorität bezeichnet. Am Mittwoch hätte die Kommission, der exekutive Arm der Europäischen Union, strengere Richtlinien zum Konsum von (E-)Zigaretten erlassen sollen – doch das ist nicht passiert.
Vor Passivrauchen schützen
Als Teil des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung sollte die EU-Kommission Empfehlungen für rauchfreie Zonen aus dem Jahr 2009 zu aktualisieren. Wie "Politico" einen entsprechenden Entwurf zitiert, hätte die neue Empfehlung die Länder aufgefordert, die Öffentlichkeit vor Passivrauch zu schützen, der sowohl von Zigaretten als auch von Aerosolen aus Produkten wie E-Zigaretten und Geräten zum Erhitzen von Tabak erzeugt wird. Die neuen, strengen Richtlinien hätten etwa an Orten wie Spielplätzen, Cafés oder Bushaltestellen gegolten.
Entwurf erneut verzögert
Eigentlich hätten die Empfehlungen bereits vergangenen Herbst aktualisiert werden sollen, am Mittwoch folgte der erneute Versuch – doch auch diesmal ist es nicht gelungen. Laut Stefan De Keersmacker, Gesundheitssprecher der Kommission, sei der Entwurf verzögert worden, weil er "weitere Arbeit und Beweise braucht". Der belgische Gesundheitsminister, Frank Vandenbroucke, der während einer Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Umwelt (ENVI) des Europäischen Parlaments die Nachricht von der verschobenen Frist verkündete, hatte einen anderen Schuldigen im Sinn.
"Lassen Sie uns das Problem beim Namen nennen", sagte er am Montag. "Diese Maßnahmen wurden von mächtigen Industrieinteressen auf Kosten der Gesundheit der Europäer untergraben". Der Vorschlag sollte ursprünglich am Mittwoch zusammen mit der Empfehlung des Rates zu durch Impfungen vermeidbaren Krebserkrankungen im Rahmen eines "Krebspräventionspakets" veröffentlicht werden.
Die Rolle der Tabak-Industrie und der Lobbyisten bei der Verhinderung von Gesetzen ist schwer zu beurteilen. Nach dem Rahmenübereinkommen der WHO zur Eindämmung des Tabakkonsums gelten strenge Regeln für den Austausch zwischen Tabakunternehmen und politischen Entscheidungsträgern.
"Von der Leyen-Kommission hat versagt"
"Die von der Leyen-Kommission hat bei der Tabakkontrolle versagt. Seit 2019 wurde kein einziger Rechtsakt zur Tabakkontrolle veröffentlicht", ärgerte sich Lilia Olefir, Direktorin der Anti-Raucher-Organisation "Smoke Free Partnership". Sie verwies auf die fehlenden Fortschritte bei der Besteuerung und der Richtlinie über Tabakerzeugnisse. Olefir stimmte mit der Einschätzung des belgischen Gesundheitsministers, wonach die Tabakbranche für die Verzögerung verantwortlich sei, überein.
Tobacco Europa, einer der größten Zigarettenhersteller der Welt, verteidigte sich gegen diesen Vorwurf. "Als Tobacco Europe haben wir immer transparent gehandelt, daher können wir den Bemerkungen von Minister Vandenbroucke nicht zustimmen", so die Organisation.