Yale-Professor mahnt

Trump-Wiederwahl "Unheil", aber nicht "Ende der Welt"

Der renommierte Yale-Soziologe Jeffrey Alexander ist überzeugt, dass Joe Biden nicht mehr gewinnen kann. Eine Trump-Wiederwahl wär aber gefährlich.

Roman Palman
Trump-Wiederwahl "Unheil", aber nicht "Ende der Welt"
Donald Trump flankiert von Telepromptern bei einem Wahlkampfauftritt in Chesapeake, Virginia, am 28. Juni 2024.
REUTERS

Das TV-Duell zwischen den beiden US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump (78) und Joe Biden ließ die Zuschauer sprachlos zurück. Während der MAGA-Anführer neuerlich seine charakterlichen Schwächen zur Schau stellte, befeuerte der Auftritt von Amtsinhaber Biden die ohnehin schon lange schwelende Frage um seinen Gesundheitszustand enorm.

Selbst sonst eher demokratisch eingestellte Medien wie die "New York Times" und Parteikollegen ziehen lautstark in Zweifel, dass der 81-Jährige noch körperlich und geistig fit genug für den Wahlkampf und vier weitere Jahren im Weißen Haus ist. Seither läuft seitens der Biden-Kampagne ein Sanierungsversuch, der Image-Schaden in den entscheidenden Bundesstaaten ist aber enorm.

"Es scheint zum jetzigen Zeitpunkt höchst unwahrscheinlich, dass Biden gewinnt", sagt Jeffrey Alexander im Interview mit dem "Standard" bei einem Wien-Besuch. Der Professor an der Universität Yale ist einer der einflussreichsten Soziologen der USA und lässt immer wieder mit seinen Polit-Analysen aufhorchen.

Nun wurde für alle sichtbar, wie schlecht er beisammen ist
Jeffrey Alexander
über Joe Bidens Auftritt beim TV-Duell gegen Trump

Die TV-Konfrontation bestätigt all jene, die schon seit zwei Jahren davon überzeugt sind, dass Biden zu alt für den Top-Job ist. Immerhin hatte der US-Präsident schon seit November 2022 keine Live-Pressekonferenz mehr gegeben. Seine Familie und das Weiße Haus hätten die Gebrechlichkeit des mächtigsten Mannes der Welt bisher aber gut vor der Öffentlichkeit verborgen. "Und nun wurde für alle sichtbar, wie schlecht er beisammen ist".

Medien wie die "New York Times" würden sich deshalb vom Weißen Haus betrogen fühlen und wären deshalb nun mit Rücktrittsaufforderungen besonders stark. Ob das Wirkung zeigt, bleibt abzuwarten: "Grundsätzlich scheint man bei den Demokraten eher bereit, auf die traditionellen Medien zu hören. Wir sehen auch, dass führende Mitglieder des Repräsentantenhauses und des Senats sich möglicherweise diese Woche gegen Biden organisieren könnten, was ich nicht erwartet hatte. Und auch ich hoffe, dass er dadurch gezwungen sein wird, von einer Kandidatur abzusehen", erklärt Alexander, der sich selbst als linksliberal beschreibt.

"Apokalyptische Übertreibungen"

Doch was, wenn Donald Trump Anfang 2025 wieder in das Weiße Haus einzieht? Der Soziologe sieht in diesem Fall zwar dunkle Wolken sich am Horizont zusammenbrauen, einen totalen Systemkollaps wie etwa Komplexitätsforscher Peter Turchin fürchtet er nicht: "Das scheint mir völliger Unsinn zu sein. Die Vereinigten Staaten werden als Gesellschaft nicht zerstört werden. Vorhersagen über das Ende der Demokratie, über den Zusammenbruch der Vereinigten Staaten oder gar das Ende der Welt aufgrund des Trumpismus halte ich für apokalyptische Übertreibungen."

Dem Republikaner werde auch dieses Mal massiver Gegenwind entgegenwehen. Die mächtigen Küstenregionen im Westen und Osten, zumindest nordwärts von New York, seien überwiegend gegen Trump. "Dieser Widerstand ist angesichts des starken Föderalismus in den USA ebenfalls ein nicht zu unterschätzender Faktor."

"Projekt 2025": Rechter Systemumbau?

Das ominöse "Projekt 2025" – ein totaler Systemumbau, den rechte Intellektuelle rund um den Thinktank "Heritage Foundation" etwa durch Austausch von tausenden Beamten planen – sei zwar ein "offensichtliches Bedrohungsszenario", werde aber "auf allzu apokalyptische Weise interpretiert". Unklar sei, ob Trump diese 900 Seiten dicke Blaupause, die die US-Gewaltenteilung erschüttern und in den Händen des Präsidenten zusammenführen würde, auch exekutieren will bzw. das auch könnte.

Letzteres hält der Yale-Professor für "unwahrscheinlich": Zum einen, weil ein US-Präsident "nur in ganz seltenen Fällen das umsetzen kann, was er umsetzen möchte" und zum anderen, weil die liberale Gegenseite mutmaßlich bereits alle dementsprechenden Klagen vorbereitet hat, um solche Maßnahmen anzufechten: "Und dann müssten alle diese Maßnahmen ausgesetzt werden, bis die Gerichte entschieden haben." Trotz des republikanischen Überhangs der Richter im Supreme Court seien diese bisher nie antidemokratisch gewesen, hätten auch die Trump-Wahlanfechtungen abgeschmettert, erinnert Alexander.

Hat Trump das Zeug zum Diktator?

Die vielen Fragezeichen rund um die Person Donald Trump sind dennoch Anlass zur Sorge, warnt der Soziologe: "Er ist ein impulsiver Mensch und denkt die Dinge nicht durch. Zudem ist auch er in seinen geistigen Fähigkeiten, die nie besonders gut waren, noch eingeschränkter als in seiner ersten Amtszeit."

Besonders gefährlich werde es bei jenen Dingen, die ein US-Präsident alleine entscheiden kann. Und hier könnte Trump vor allem außenpolitisch kräftig umrühren: "Am beängstigendsten finde ich dabei, was ein möglicher Präsident Trump angesichts der weltpolitischen Lage mit der NATO anstellen könnte – nämlich wenn er ihr die finanzielle Unterstützung verweigert, was in seiner Macht liegt. Er könnte also international sehr viel mehr Unheil stiften als innenpolitisch."

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