Ukraine

Toxischer Verdacht – das sind Putins geheime Giftküchen

Oligarch Roman Abramowitsch soll vergiftet worden sein. Erneut soll der Kreml dafür verantwortlich sein. Das sind Putins geheime Giftküchen. 

Nikolaus Pichler
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Die Zentrale des russischen Auslandsnachrichtendienstes "SWR" in der Oblast Moskau. 
Die Zentrale des russischen Auslandsnachrichtendienstes "SWR" in der Oblast Moskau. 
Mikhail Metzel / AP / picturedesk.com

Erst am Dienstag heizte der ukrainische Außenminsiter Dmytro Kuleba die Spekulationen rund um eine Vergiftung von Russen-Oligarch Roman Abramowitsch während der Friedensgespräche zur Lösung des Krieges weiter an. "Ich rate allen Teilnehmern der Verhandlungen mit Russland währenddessen nichts zu trinken oder zu essen und, wenn es geht, nichts anzufassen", zitiert die "Daily Mail" Kuleba am Dienstag. 

Das britische Medium berichtet auch über weitere Sicherheitsvorkehrungen bei den Gesprächen am Dienstag in der Türkei. So sollen den Delegierten bei den Verhandlungen Wassergläser mit Papierdeckeln gereicht worden sein.

Bereits in der Vergangenheit wurde das Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin für zahreiche Gift-Anschläge verantwortlich gemacht. Vor allem den zahlreichen russischen Geheimdiensten soll dabei eine tragende Rolle zukommen. In diesen Geheimdiensten sollen Putins Giftköche arbeiten (Bilderstrecke zum Durchklicken).

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    Die Zentrale des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR: Unter anderem hier sollen die toxischen Seren für die Kreml-Schläge hergestellt werden.
    Die Zentrale des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR: Unter anderem hier sollen die toxischen Seren für die Kreml-Schläge hergestellt werden.
    Mikhail Metzel / AP / picturedesk.com

    Die Liste mutmaßlicher Opfer russischer Gift-Anschläge ist lang:

    Journalistin Anna Politkowskaja
    Vergiftet, nachdem sie im September 2004 auf einem Flug mit Aeroflot Tee getrunken hatte. Politkowskaja wurde später im Oktober 2006 in Moskau erschossen.
    Politiker Viktor Juschtschenko
    Nach einem Abendessen mit dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes im September 2004 musste der damalige ukrainische Präsidentschaftskandidat in das Wiener Rudolfinerhaus eingeliefert werden. Dort stellte man eine lebensgefährliche Dioxinvergiftung fest. Von der Vergiftung gezeichnet gewann er die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine, regierte von 2005 bis 2010 und brachte das Land auf einen prowestlichen Kurs. Zur Frage, ob er denke, dass Kreml-Chef Putin seine Vergiftung in Auftrag gegeben habe, äußert er sich vielsagend: "Ich kenne die Antwort, aber ich kann sie nicht aussprechen." Europa müsse erkennen, dass die größte Bedrohung für seine Bürger ein Russland sei, das im 21. Jahrhundert mittelalterliche Methoden anwende.
    Ex-Geheimagent Alexander Litvinenko
    Starb, nachdem er im November 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Er beschuldigte noch am Sterbebett Putin für den tödlichen Angriff.
    Wladimir Kara Murza
    Der damalige Oppositionspolitiker und Aktivist erkrankte im Mai 2015 nach einem Aeroflot-Flug und klagte über Vergiftungssymptome. Er soll im Februar 2017 erneut vergiftet worden.
    Ex-Geheimagent Sergei Skripal
    Wurde 2018 zusammen mit seiner  Tochter Julia bewusstlos im britischen Salisbury aufgefunden. Später gaben britische Behörden bekannt, dass die beiden offensichtlich mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet wurden. 
    Kreml-Kritiker Alexej Nawalny
    Brach im Agust 2020 auf einem Flug von Tomsk nach Moskau zusammen, nachdem er vergiftet wurde. Nawalny überlebte und ist heute eines der prominentesten Gesichter der russischen Opposition. 

    Viktor Juschtschenko im Juli 2004 und im Dezember 2004 mit völlig entstelltem Gesicht nach dem Gift-Anschlag. 
    Viktor Juschtschenko im Juli 2004 und im Dezember 2004 mit völlig entstelltem Gesicht nach dem Gift-Anschlag. 
    STF / AFP / picturedesk.com
    Ex-KGB-Agent Alexander Litvinenko am Sterbebett kurz vor seinem Tod in Londin. 
    Ex-KGB-Agent Alexander Litvinenko am Sterbebett kurz vor seinem Tod in Londin. 
    Litvinenko Family / EPA / picturedesk.com

    Abramowitsch und zwei weitere Mitglieder der ukrainischen Delegation hätten demzufolge nach einem Meeting in Kiew am 3. März über rote und entzündete Augen, Tränenfluss und sich selbst ablösende Haut am Gesicht und den Händen geklagt haben. Abramowitsch sei daraufhin in eine Klinik in der Türkei gebracht worden. Die Symptome deuteten eindeutig auf eine Vergiftung mit chemischen Kampfstoffen hin, wird ein Insider in dem Medienbericht der Investigativ-Plattform "Bellingcat" und des "Wall Street Journal"zitiert.

    Abramowitsch, einer der reichsten Männer Russlands, gilt als enger Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin und jettet in seiner Rolle als Friedensbote aktuell zwischen der Türkei, Russland und der Ukraine umher.

    Verwirrspiel um mögliche Vergiftung von Multimilliardär

    Doch nur kurze Zeit später nach dem Auftauchen des Berichts dementierte die Ukraine eine mutmaßliche Gift-Attacke. . Alle Mitglieder der Verhandlungsgruppen würden normal arbeiten, sagte Mychajlo Podoljak. Er fügte hinzu: "Im Informationsbereich gibt es gerade viele Spekulationen, unterschiedliche Verschwörungsversionen und Elemente des einen oder anderen Informationsspiels". Auch US-Geheimdienste zweifeln einen Gift-Anschlag auf Abramowitsch an. Ihnen zufolge seien die Symtome auf "Umweltfaktoren" zurückzuführen, zitierte die Agentur Reuters einen anonymen Vertreter der US-Sicherheitsdienste. Auch Moskau wies den Bericht laut "Daily Mail" zurück.

    Im Gegensatz dazu bestätigte eine mit den Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau vertraute Quelle der Nachrichtenagentur AFP die Informationen des "Wall Street Journals". "Das hat leider tatsächlich stattgefunden", sagte die informierte Quelle zu AFP.

    Bellingcat-Chefredakteur Christo Grozev betont, dass es sich bei dem mutmaßlichen Anschlag auf Abramowitsch um eine Warnung an ihn von Kreml-Hardlinern gehandelt habe, die die Friedensverhandlungen sabotieren wollten. Der Investigativ-Journalist, der bereits den Gift-Anschlag auf Kreml Kritiker Alexej Nawalny 2020 enthüllte, hält auch nach den Dementis aus der Ukraine an seiner Darstellung fest.

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      Mariupol-Bewohnerin Valentina Demura (70) in Tränen vor ihrem zerstörten Appartement.
      Mariupol-Bewohnerin Valentina Demura (70) in Tränen vor ihrem zerstörten Appartement.
      REUTERS/Alexander Ermochenko

      "Es gibt Dutzende plausible und einige sogar legitime Gründe für Regierungsbeamte, diesbezüglich zu lügen. Es gibt für uns null Grund", twitterte Grozev am Dienstag mit Verweis auf seine Partner und weitere Medien. "Wir wissen noch nicht genau, was passiert ist oder wer es getan hat. Wir wissen, dass am Tag der entscheidenden Verhandlungen drei gesunden Menschen gleichzeitig etwas passiert ist. Es 'Umwelteinflüsse' zu nennen, ist genauso plausibel, wie zu sagen, Navalny hatte niedrigen Blutzucker."

      TAG 34 des Ukraine-Krieges: Die Lage im "Heute"-News-Video

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        Helmut Graf