Lokführer vor Gericht
Toter bei Zugunfall – "Träume jede Nacht von Schreien"
Ein Todesopfer und 26 Verletzte hatte ein Zugunglück in Münchendorf gefordert. Der Zugführer erhielt nun eine bedingte Haftstrafe.
"Ich träume jede Nacht, dass die Passagiere schreien", hatte der bei dem Unfall selbst schwer verletzte Angeklagte, ein 55-Jähriger aus Ungarn, beim ersten Prozess am 24. Jänner 2023 gesagt. Der Triebfahrzeugführer, der seit 35 Jahren seinen Beruf ausgeführt und zuvor noch nie einen Unfall hatte, bekannte sich auch bei der Neuauflage des Prozesses am Dienstag vor Gericht nicht schuldig.
Die Hintergründe des Zugunglücks: Der mit rund 70 Passagieren besetzte "Ventus"-Zug der Raaberbahn war am 9. Mai 2022 auf dem Weg von Deutschkreutz (Bezirk Oberpullendorf) im Burgenland zum Wiener Hauptbahnhof. Bei Münchendorf wurde eine Störung angezeigt, deshalb wurde er von dem in Wien sitzenden Fahrdienstleiter vom Regelgleis auf ein Nebengleis geleitet, die Weichenumstellung wird dazu programmiert. Der Zugsführer wird bei der Raaberbahn mittels Signal darüber informiert.
Digitales Warnsystem
Der Beschuldigte meinte allerdings bereits beim ersten Prozess, dass eine Änderung telefonisch oder per schriftlichem Befehl bei einer Station angewiesen werden müsse, was der Fahrdienstleiter im Zeugenstand verneinte. Bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gebe es auch ein elektronisches System, das den Lokführer in diesem Fall warnen könnte. Dieses digitale Warnsystem könne bei der Raaberbahn während der Fahrt nicht genutzt werden, betonte der Angeklagte.
Zwei orange Lichter
Der mittlerweile 55-Jährige berichtete beim Prozess, dass beim Vorsignal zwei orange Lichter angezeigt wurden, was bedeutet, dass man beim nächsten Hauptsignal anhalten muss. Als er allerdings zu diesem Hauptsignal gelangte, sei dieses von Rot auf Grün umgesprungen und somit habe der Ungar mit dem Zug wieder an Fahrt aufgenommen. Bei der Weiche in Münchendorf kam es schlussendlich zum Unglück.
Der Zug raste durch die Weiche, die nur für Geschwindigkeiten von bis zu 60 km/h ausgerichtet ist, mit 145 km/h und die Garnitur entgleiste. Einer der sechs Wagen der Doppelgarnitur stürzte in ein Feld. Einer blieb seitlich auf der Böschung neben der Zugstrecke liegen. Die übrigen vier Wagen waren aus den Gleisen gesprungen.
25-Jähriger starb
Bei dem Unglück kam ein 25-jähriger Eisenstädter ums Leben. Der Triebwagenführer und zwei Fahrgäste aus Wien, eine Frau und ein Mann, hatten schwere Blessuren, weitere Passagiere leichte Verletzungen erlitten. Der Zugsführer war zwei Stunden unter dem Zug eingeklemmt. "Ich habe gesagt, sie sollen zuerst die Passagiere retten, nicht mich", so der 55-Jährige. Im Hubschrauber habe er dann das Bewusstsein verloren – es folgten zahlreiche Operationen.
Zugunglück bei Münchendorf in NÖ
Ein Jahr vor dem Unglück war es auf der Strecke übrigens bereits zu einem ähnlichen Vorfall mit weitaus geringeren Folgen gekommen.
Das Urteil von sechs Monaten bedingter Haft für den Lokführer wurde infolge vom Oberlandesgericht aufgehoben, da die Beweisführung als "mangelhaft" angesehen worden war.
Bedingte Haftstrafe
Auch bei der Neuauflage des Prozesses am Dienstag am Landesgericht Wr. Neustadt wurde der 55-Jährige wegen fahrlässiger Gemeingefährdung schuldig gesprochen – der Lokführer wurde zu fünf Monaten bedingter Haft verurteilt (nicht rechtskräftig). Drei Zeugen waren angehört worden, die Experten schlossen alle drei aus, dass es beim Lichtsignal zu einem Fehler gekommen war.
Übrigens: Erst vor wenigen Tagen war wieder ein Zug entgleist, 55 Passagiere mussten gerettet werden – mehr dazu hier.