Wirtschaft
"Todesurteil" – Medien-Experte will ORF-Gesetz stoppen
Medien-Berater Michael Grabner zeigt sich besorgt über das geplante ORF-Gesetz. Er sieht darin ein "Todesurteil für private Bezahlmedien".
Der ORF wird künftig über eine Haushaltsabgabe finanziert. Die Verhandlungen der Regierung befinden sich auf der Zielgeraden. Spätestens Ende April sollen die Gesetzesentwürfe in Begutachtung gehen. Der ORF muss sich auf ein saftiges Spar-Paket gefasst machen. Insgesamt sollen über 300 Millionen Euro bis 2026 eingespart werden, "Heute" berichtete.
Mehrheit der Bevölkerung lehnt Haushaltabgabe ab
Das neue ORF-Gesetz sorgt bereits im Vorfeld für viel Diskussionsstoff. Filmschaffende fordern etwa, dass 20 Prozent der künftigen ORF-Haushaltsabgabe für heimische Produktionen aufgewendet werden, "Heute" berichtete.
Wie eine "Heute"-Umfrage ergab, lehnt die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung die neue ORF-Gebühr ab. Laut dem renommierten Institut "Unique Research", das für "Heute" die Studie durchgeführt hat, sind 51 Prozent der Befragten klar dagegen. Viele kritisieren den Umstand für ein Programm bezahlen zu müssen, welches sie vielleicht gar nicht nutzen.
Jetzt schaltet sich auch der Mediaprint-Eigentümervertreter und "Zeit"-Gesellschafter Michael Grabner (74) in der Diskussion ein und zeigt sich besorgt über die geplanten Änderungen. Der langjährige Manager in der österreichischen und deutschen Medienlandschaft sieht darin ein "langsames Todesurteil für private Bezahlmedien", wie er im Interview mit dem "Standard" erklärt. Er ruft deshalb zum Stopp des Gesetzesvorhabens und zum Neustart auf.
Grabner war einer ersten Geschäftsführer des größten österreichischen Verlagskonzerns Mediaprint von "Krone" und "Kurier", zudem managte er den deutschen Medienkonzern Georg von Holtzbrinck und ist mittlerweile an dieser Mediengruppe mit "Die Zeit", "Handelsblatt", "Wirtschaftswoche" und "Berliner "Tagesspiegel" beteiligt. Weiters ist er Vorsitzender im Gesellschafterausschuss der Mediaprint.
Andere Medien kaum noch finanzierbar
"Das exzellente, kostenlos zugängliche Angebot des ORF, das künftig durch eine Abgabe für alle finanziert werden soll, verengt den Spielraum für andere Medien so stark, dass man notwendige große Redaktionen nicht finanzieren kann. Vielleicht sind die Menschen noch bereit, 4,90 Euro im Monat oder vielleicht 9,90 Euro im Monat für private journalistische Angebote zu zahlen. Doch damit kann man keine Komplettredaktion finanzieren. Hier wird an einem ORF-Gesetz gearbeitet, ohne sich die langfristigen Auswirkungen zu überlegen", sagt der Experte gegenüber dem "Standard".
Weiters weist er darauf hin, mit welchen Herausforderungen die Medienbranche aktuell zu kämpfen hat. Printprodukte werden kaum noch verkauft und für Digitalabos wollen nur wenige bezahlen. Auch wächst der Druck durch soziale Medien und aufgrund der Teuerungen (Papier, Löhne, Vertrieb) ist die ökonomische Situation äußerst schwierig.
Erste Zeitungen haben in Österreich bereits Kündigungen öffentlich gemacht, wie etwa der "Kurier" oder die "Kleine Zeitung", "Heute" berichtete.
"Zerstört Medienvielfalt und demokratische Basisvoraussetzungen"
"Und in dieser Lage kommt ein simplifizierendes Gesetz, das nur die Finanzierung des ORF über eine Haushaltsabgabe im Blick hat. Das ist viel zu kurz gedacht. Was man da vorhat, zerstört die Medienvielfalt und damit demokratische Basisvoraussetzungen der nächsten zehn Jahre – und ist kaum noch umzukehren", betont Grabner.
"Qualifizierte Recherche und journalistische Aufbereitung kostet sehr viel Geld"
Er sorgt sich um den österreichischen Markt: "Qualifizierte Recherche und journalistische Aufbereitung kostet sehr, sehr viel Geld. (...) Wenn ich dem ORF mit hunderten Millionen Steuergeld ein sehr, sehr gutes Medium mit sehr, sehr vielen Möglichkeiten finanziere, dann mache ich es den anderen Medien besonders schwer. Ich habe große Sorge um den österreichischen Markt."
Grabner fordert in dem Interview, das Gesetz zu stoppen und neu zu überdenken. Er bekennt sich zwar klar zu österreichischen Inhalten und zur Förderung des Film- und Kreativstandorts, doch das reiche laut seinen Angaben nicht aus.
"Wenn ich den ORF schon über Steuermittel finanzieren möchte, dann muss er auch anderen Medien seine Inhalte zur Verfügung stellen, Zugriff auf Interviews, auf Auslandskorrespondenten und so weiter. Meine Kritik richtet sich nicht gegen den ORF und nicht gegen Politiker. Ich vermisse schmerzlich ausreichend qualifizierte Fachleute, die in den Verhandlungen über eine so wichtige und demokratiepolitische Frage, wie sich das ORF-Gesetz auf die österreichische Medienlandschaft in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren auswirkt, entscheidend mitarbeiten."