Fussball
Thalhammer: "Der große Wurf ist dem ÖFB nicht gelungen"
Dominik Thalhammer führte Österreichs Frauenfußball-Team bei der EM 2017 sensationell ins Halbfinale. Nun spricht er über den ÖFB.
„Heute“: Herr Thalhammer, das Sommermärchen 2017 begeisterte die Fans. Ihre Erfolgsrezepte waren das taktische Rüstzeug. Aspekte, die im heimischen Fußball lange unterschätzt wurden?
Dominik Thalhammer: "Ja, wenn du selbst nicht die hohe individuelle Qualität hast, musst du Waffen entwickeln, die dem Gegner weh tun, ihn überraschen. Wir waren das beste Team gegen den Ball, konnten im Spiel zwischen vier Systemen wechseln, waren weniger berechenbar."
Willi Ruttensteiner holte Sie 2011 zum ÖFB – Sie wurden beide oft als „Professoren“ belächelt. Jetzt ist mit Ralf Rangnick ein sogenannter „Professor“ Teamchef. Bringt er Österreich weiter?
"Von seinen fachlichen Qualitäten her ja. Wichtig ist, einen Plan und eine Struktur zu haben. Und es muss ein positives Umfeld entwickelt werden, in dem Spieler und Trainer arbeiten können."
Gäbe es Trainer mit seinen Ansätzen auch in Österreich?
"Vermutlich ja, in der Trainerausbildung wurde zuletzt ordentlich Gas gegeben, es wurden gute Leute entwickelt. Aber wenn es die Option Rangnick gibt, wird man einen Mann mit seiner Reputation auch nehmen."
Als Trainer bei Cercle Brügge unterliefen Sie einen fünfstufigen Rekrutierungsprozess mit einem US-Headhunter. Ungewöhnlich.
"Im Fußball ja, in der Wirtschaft nicht. Es geht darum, Erfolgswahrscheinlichkeiten zu erhöhen, später nicht überrascht zu sein. In Österreichs Fußball laufen wichtige Personalentscheidungen meist über Beziehungen und Netzwerke. Den Zugang von Brügge finde ich spannend."
Ist Belgiens Liga besser?
"Die Dichte ist höher. In Österreich gibt es Salzburg, dahinter zwei gute Klubs. In Belgien sind es zumindest acht, da können auch die hinteren die vorderen schlagen."
Zurück zum Frauen-Fußball: Wurde nach dem Erfolg von 2017 ein Schritt nach vorne gemacht?
"Der große Wurf ist dem ÖFB nicht gelungen. Im internationalen Vergleich spielen bei uns viel zu wenige Mädchen, werden Burschen mehr gefördert. In der Spitze braucht es aber die Breite. Man müsste Anreize schaffen: entweder mit Geld oder im Regulativ."
(Klaus Pfeiffer)