Kanzler im "Heute"-Interview
"Tabubruch": Nehammer will Klimakleber härter bestrafen
Die letzte Möglichkeit, kommende Woche Neuwahlen auszurufen, wird er verstreichen lassen, kündigt Kanzler Karl Nehammer im "Heute"-Interview an.
"Es ist nichts Neues" – mit diesen Worten sagt Bundeskanzler Karl Nehammer vorgezogene Neuwahlen vor dem Sommer ab. Die Regierung habe jetzt eine Wohnbau-Offensive vorgelegt. Mit "Heute" sprach der VP-Regierungschef auch über Wladimir Putin, Frieden in der Ukraine und härtere Strafen für Aktivisten der "Letzten Generation" ...
"Heute": Die Bundesregierung hat ein 2,2 Milliarden Euro schweres Wohnbaupaket vorgelegt. Dürfen sich die Österreicher in den nächsten Monaten auf noch mehr Wahlzuckerl einstellen?
Karl Nehammer: Ich habe es im "Österreichplan 2030" bereits präsentiert: Es ist mir wichtig, die Eigentumsquote in Österreich deutlich zu erhöhen. Diesem Ziel sind wir ein Stück weit näher gekommen.
„Natürlich ist Eigentum für die Volkspartei immer erstrebenswert.“
Ihr Ziel ist es, die Eigentumsquote von 48 auf 60 Prozent anzuheben. Ist das nicht Klientelpolitik einzig für Ihre Wähler? Keine einzige Miete wird dadurch billiger.
Man muss hier differenzieren. Natürlich ist Eigentum für die Volkspartei immer erstrebenswert. Warum? Weil Eigentum Sicherheit bietet, auch im Alter. Eigentum bietet Freiheit und sorgt auch für Eigenverantwortung, für das, was man besitzt. Wir decken mit dieser Wohnbauoffensive aber unterschiedliche Bedürfnisse ab. Es geht auch um die Förderung von 10.000 Eigentumswohneinheiten, 10.000 Mietwohnungen und 5.000 Wohnungen, die saniert werden – alles im gemeinnützigen Wohnbau.
Video: Kanzler Nehammer im "Heute"-Talk
Bei neu erworbenem Eigentum werden heuer und nächstes Jahr Nebengebühren ausgesetzt. Gibt es hier eine Altersgrenze für etwa Jungfamilien?
Nein, es geht darum, sich Eigentum zu schaffen und dort einen Hauptwohnsitz anzumelden – egal wie alt man ist. Wenn ich mit 40 beschließe, mein Eigentum zu begründen, ist es zwar keine Jungfamilienförderung mehr, man muss sich aber vor Augen halten, dass nicht jeder in seiner Erwerbsbiografie davor die Möglichkeit hat, daran zu denken.
Das heißt: Klarer Fokus Ihrer Regierung auf Eigentum?
Wenn Sie so wollen, ist es eine salomonische Lösung, jedenfalls aber die größte Wohnbauoffensive seit langem in dieser Republik. Leistbares Wohnen steht im Mittelpunkt. Und ja: Mir ist auch wichtig, diese Eigentumsfeindlichkeit im Land zurückzudrängen. Eigentum ist wertvoll, eine gute Alterssicherheit und muss auch wieder leistbar sein – das war bisher das größte Hindernis.
Spricht da schon ein Großkoalitionär aus Ihnen?
Nein, es spricht jemand mit vielen Jahren Koalitionserfahrung mit unterschiedlichsten Partnern zu Ihnen. Das bedeutet immer Kompromisse. Mir ist auch wichtig, dass wir Mietwohnungen fördern, denn das wichtigste Grundbedürfnis ist zuallererst, ein Dach über dem Kopf zu haben.
Gibt es heuer wieder einen Klimabonus?
Ja, denn den gibt es immer dann, wenn die CO₂-Bepreisung eingesetzt ist. Heuer je nach Wohnort zumindest 120 Euro. Der Klimabonus dient dazu, um die Unabhängigkeit von fossiler Energie zu fördern. Außerdem greift die ökosoziale Steuerreform mit der Abschaffung der Kalten Progression und der Senkung der Tarifstufen.
Gibt es weitere Anti-Teuerungshilfen?
Die Preise von Klimaticket und Vignette sind trotz Inflation nicht erhöht worden. Wir sind mittlerweile Bahnfahrer-Nation Nummer eins in der EU. Gleichzeitig drängen wir in der Koalition auch darauf, dass auch das Straßennetz ausgebaut werden muss, denn auch Elektrofahrzeuge fahren auf Straßen. Ich möchte ohne ideologische Scheuklappen eine zukunftsgerichtete Politik machen.
„Wir haben Strafverschärfungen vorgeschlagen und unserem grünen Koalitionspartner übermittelt.“
Klimakleber haben gestern versucht, das Parlament zu stürmen. Braucht es härtere Strafen?
Diese Aktion der "Letzten Generation", wie sie sich selbst nennen, hat einen Tabubruch dargestellt. Das nützt dem Klimaschutz auch nicht, sondern schadet ihm eher.
Warum sind Sie dieser Meinung?
Es ist ein geschriebenes und ungeschriebenes Gesetz in diesem Land, dass der freie Zugang zum Parlament immer gewährleistet sein muss und die Abgeordneten ihr Mandat frei von Druck ausüben dürfen. Deshalb gibt es bei Demonstrationen auch eine Bannmeile. Die besonders symbolträchtige Aktion beim Parlament war völlig inakzeptabel, wie das Klimakleben an sich, denn es stört Menschen in ihrem Alltag. Wir haben Strafverschärfungen vorgeschlagen und unserem grünen Koalitionspartner übermittelt.
Was sagen die Grünen dazu?
Das müssen Sie die Grünen fragen. Ich bin hier sehr klar positioniert und halte es für ein völlig falsches Signal. Ich kann Ihnen den Volkspartei-Zugang sagen: Wir sind auch die Partei der Aktivisten. Aber unsere Aktivisten sind die, die jeden Tag aufstehen, arbeiten gehen und somit für ihren Lebensunterhalt sorgen. Unsere Aktivisten kleben sich nicht fest, sondern packen an – bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim Roten Kreuz oder engagieren sich allgemein im Ehrenamt.
Ehrlicherweise müssen Sie dann aber feststellen: Es werden mit den Grünen keine härteren Strafen kommen ...
Sagen Sie das nicht, ich bin das Bohren harter Bretter gewöhnt. Es ist schwierig, aber wir werden das weiter thematisieren und haben ja noch ein bisschen Zeit.
Herr Bundeskanzler, kommende Woche schließt sich das Fenster für vorgezogene Neuwahlen vor dem Sommer. Machen wir es fix: Wählen wir erst im Herbst?
Ja, so wie ich es immer gesagt habe. Es ist also nichts Neues. Etwa mit der Wohnbauoffensive beweisen wir einmal mehr, dass wir innovativ vorgehen und Strukturveränderungen schaffen.
Mit Blick auf die Umfragen steigt trotz dieser Initiativen die Zufriedenheit der Bevölkerung mit der türkis-grünen Regierung nicht an.
Ich glaube, die Stimmung dreht sich gerade. 2024 ist das Jahr der Entlastung. Die Inflation bricht. Durch die Abschaffung der Kalten Progression haben alle auf ihrem Lohnzettel gesehen, dass sie tatsächlich mehr Geld als im Vorjahr haben. Durch die Valorisierung der Sozialleistungen und Erhöhung der Familienbeihilfe haben wir zusätzlich erreicht, dass die Realeinkommen der Österreicher wachsen. Das ist ein Faktum, keine Polemik. Die Menschen werden sehen, dass wir halten, was wir versprochen haben.
Die Inflation in Österreich gehört noch immer zur höchsten in Westeuropa.
Erinnern Sie sich zurück: Im Jänner letzten Jahres lag sie bei 11,2 Prozent. Jetzt sind wir bei 4,5 Prozent. Unsere Maßnahmen zeigen Wirkung. Könnte es noch schneller gehen? Wenn es nach mir geht, ja ...
Der Ministerrat hat den neuen FPÖ-Mann für den ORF-Stiftungsrat, Peter Westenthaler, durchgewunken – trotz Protesten des Redaktionsrats. Teilen Sie die Bedenken der ORF-Redakteure nicht?
Aus meiner Sicht ist das Recht einzuhalten, dieses sieht ganz klare Prozesse vor.
Was halten Sie von Peter Westenthaler?
Er ist eine spezielle politische Persönlichkeit.
„Putin befindet sich in einer Sackgasse.“
Sie sind diese Woche zum Ukraine-Sondergipfel von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gereist. Was kann Österreich hier beitragen?
Österreich nimmt als neutrales Land eine Sonderposition ein. Unsere Solidarität gilt klar den Menschen in der Ukraine, die massiv unter dem furchtbaren Krieg leiden. Gleichzeitig sind wir auch immer diejenigen, die einfordern, dass man darüber reden muss, wie das Sterben enden kann und es auch wieder Frieden geben kann
Würden Sie noch einmal mit Wladimir Putin sprechen?
Ein klares Ja – wenn es nützlich ist und der Sache dient.
Wie kann es zu Frieden in der Ukraine kommen?
Es ist wichtig, dem russischen Präsidenten in gemeinsamen Initiativen klarzumachen, dass er sich in einer Sackgasse befindet. Er konnte keines seiner strategischen Ziele erreichen; es sterben Abertausende Menschen. Das gilt es zu beenden und dafür brauchen wir mehr Verbündete auf der Welt.
„Es wird keine österreichischen Soldaten auf ukrainischem Territorium geben.“
Emmanuel Macron schließt auch nicht aus, Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden. Wie sehen Sie diesen Vorstoß?
Das war keine Mehrheitsmeinung bei dem Gipfel, im Gegenteil. Lassen Sie mich auch klarstellen, dass das für Österreich als neutralen Staat nicht in Frage kommt. Es wird keine österreichischen Soldatinnen und Soldaten auf ukrainischem Territorium geben, solange dort Krieg herrscht. Österreich unterstützt vielmehr den Weg der Deeskalation.
Nach dem Schuldspruch gegen Sebastian in erster Instanz wurde eine Disziplinarstrafe des zuständigen Richters publik. Halten Sie das Vorgehen der Justiz für ausreichend transparent?
Ich verstehe, dass das Interesse an dem Fall groß ist. Der Generalsekretär der Volkspartei, der auch Rechtsanwalt ist, hat sehr ausführlich Stellung genommen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.