Wildberries
Streit um Onlinehändler endet in Russland mit Toten
Beim russischen Amazon-Pendant Wildberries eskalierte ein Familienstreit um die Zukunft des Unternehmens aufs Gröbste.
Ehestreit, politische Verstrickungen und Tote: Was sich am vergangenen Mittwochmittag bei dem Hauptgebäude des Onlinehändlers Wildberries in Moskau – unweit des Kremls – ereignete, könnte sich genauso gut in einem Mafiafilm gespielt haben.
Wladislaw Bakaltschuk – ein Teil des Besitzer-Ehepaares – versuchte mithilfe einer Gruppe tschetschenischer Männer gewaltsam in das Bürogebäude zu Noch-Ehefrau Tatjana Bakaltschuk – dem anderen Teil des Besitzer-Ehepaares – zu gelangen. Aufgehalten wird er von Sicherheitskräften.
Es kommt zu Handgreiflichkeiten und Schüsse fallen. Am Ende sind zwei Wachleute tot, mindestens sieben Personen verletzt und über dreißig Beteiligte in Haft, wie die unabhängige russischsprachige Zeitung "Kavkaz.Realii" schreibt.
Wildberries: Das Amazon Russlands
Wildberries ist ein russischer Onlinehändler. Oft wird er dabei mit Amazon verglichen. Das Unternehmen verzeichnete 2023 einen Umsatz von 2,5 Billionen Rubeln (24 Milliarden Euro).
Scheidung und Firmen-Fusion
Auslöser der ganzen Sache sei dabei eine zerbrochene Ehe und eine Fusionierung, die aus wirtschaftlicher Sicht zumindest fragwürdig ist. Wildberries kündigte im Juli an, sich mit der russischen Werbeagentur Russ Outdoor zusammenzufügen. Russ Outdoors Umsatz sei allerdings rund 66 Mal kleiner als derjenige des Online-Händlers.
Im Hintergrund spielte sich jedoch eine Scheidung des Gründer- und Besitzer-Ehepaars Bakaltschuk ab. Tatjana – der 99 Prozent der Anteile an Wildberries gehören – habe gemeinsam mit den Besitzern von Russ Outdoor die neue Firma leiten wollen. Wladislaw – dem währenddessen offiziell nur ein Prozent der Anteile gehören – habe dies zu verhindern versucht.
Politische Verstrickungen
Es blieb allerdings nicht nur bei Ehestreitigkeiten und Geschäftsdiskussionen. Auch zwei russische Republiken spielen eine entscheidende Rolle. Auf der Seite Tatjanas steht der Milliardär und Senator Suleiman Kerimow aus Dagestan.
Der kremlnahe Senator habe die Fusionierung eingeleitet und dafür Tatjana auch bei oberster Stelle vorgestellt: Denn für die Umsetzung war eine Zustimmung des russischen Präsidenten notwendig.
Bilder: Wladimir Putin hält Annexions-Rede im Kreml
Kadyrow und seine Schläger
Auf der anderen Seite erhielt Ehemann Wladislaw Unterstützung aus Tschetschenien. In Telegram-Videos und Statement drückte das Oberhaupt der Republik Ramsan Kadyrow seinen Zuspruch für den vermeintlich hintergangenen Mitgründer aus.
Am Mittwoch seien so auch Kadyrows Männer vor dem Wildberries-Hauptsitz gestanden – darunter laut Augenzeugen wohl auch MMA-Kämpfer mit Verbindungen zu Kadyrows Akhmat Kampfsport Verein.
Putins Rolle
Beobachter der Lage sehen in der Eskalation die Auswüchse der Korruption und dem Einfluss krimineller Organisationen. Und: Die Vorfälle zeigen auch den zunehmenden Kontrollverlust der russischen Regierung, weil sich derzeit alles auf den Angriffskrieg in der Ukraine konzentriert.
Putin hat laut Einschätzungen eines Ökonomen der russischen "Liberal Mission"-Stiftung auch die Kontrolle über seine eigenen Leute verloren: Denn Kadyrow sollte sich definitiv nicht in wirtschaftliche Angelegenheiten einmischen. "In Putins Augen ist Kadyrows Aufgabe Tschetschenien und die Lieferung von 'Fleisch' für die 'militärische Spezialoperation'."
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Beim russischen Onlinehändler Wildberries eskalierte ein Familienstreit um die Zukunft des Unternehmens, was zu einem gewaltsamen Vorfall mit zwei Toten und mehreren Verletzten führte
- Der Konflikt, der durch eine Scheidung und eine umstrittene Firmenfusion ausgelöst wurde, zeigt die Verstrickungen von Politik und kriminellen Organisationen sowie den zunehmenden Kontrollverlust der russischen Regierung