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Sexarbeiterin: "Was Freier einer Hure antun, ist krass"
Das Schweizer Parlament entscheidet am Mittwoch über ein Sexkauf-Verbot. Zwei Sexarbeitende wehren sich vehement dagegen.
Wer sexuelle Dienstleistungen für Geld in Anspruch nimmt, soll dafür bestraft werden. Das fordert Mitte-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller. Denn Prostitution sei fast immer mit einem Zwang verbunden, sei es durch einen Zuhälter, einen Clan, den eigenen Partner oder schlicht durch soziale Not. "Studien des Europaparlaments belegen, dass 89 Prozent der Frauen sofort aussteigen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten", sagt Streiff-Feller. Das sei mit dem nordischen Modell, die nicht nur ein Sexkauf-Verbot vorsieht, sondern den Betroffenen auch beim Ausstieg aus der Branche hilft, möglich.
Dagegen laufen Sexarbeitende und Organisationen Sturm. So etwa der 45-jährige Nick Laurent, der seit Jahren als Callboy tätig ist. Für ihn ist Streiff-Fellers Forderung "völliger Quatsch und an den Haaren herbeigezogen". Damit bezwecke sie genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich wolle. Denn ein Sexkauf-Verbot würde die Nachfrage nur gering beeinflussen.
"Schützt uns nicht, sondern macht uns erpressbar"
Zudem wären Sexarbeitende durch dieses Gesetz schlechter vor Gewalt und Ausbeutung geschützt. "Gibt es keine gesetzliche Grundlage für die Sexarbeit, wollen Betroffene weniger mit den Behörden zusammenarbeiten und machen sich so erpressbar", sagt Laurent. Die Branche müsse mehr Akzeptanz erhalten und finanziell stärker unterstützt werden. "Missbrauche werden nur dann geahndet, wenn Organisationen direkt vor Ort sind, etwa mit Streetworkern. Das kostet Geld."
Auch die Sexarbeiterin Maîtresse K. kritisiert das nordische Modell. "Mit dem Sexkauf-Verbot zwingt man die Sexarbeiterinnen in den Untergrund, weil wir trotz des Verbots weiterarbeiten müssen. Das Sexkauf-Verbot ist nicht ehrlich und ungerecht." Damit bestrafe man nicht nur die Freier, sondern indirekt auch die Sexarbeiterinnen. "Wir sind schlussendlich am kürzeren Hebel und ich fürchte, dass wir am Schluss dafür bezahlen müssen." Anstatt sie zu schützen, mache das Sexkauf-Verbot sie erpress- und ausbeutbar.
"Sexarbeiterinnen leiden psychisch und physisch stark"
Dennoch gibt es auch Sexarbeiterinnen, die das nordische Modell begrüßen, sagt Olivia Frei, Co-Geschäftsleiterin der Frauenzentrale Zürich. "Sie leiden psychisch und physisch stark unter der Prostitution, verfallen leichter in eine Drogenabhängigkeit und haben eine vergleichsweise hohe Sterblichkeitsrate."
Das sagt auch Huschke Mau, eine Ex-Sexarbeiterin, die nach vielen Jahren mit der Sexarbeit aufgehört hat. Betroffene gerieten oft in eine finanzielle Abhängigkeit ihrer Zuhälter und müssten starke Drogen konsumieren, um mit dem täglichen Missbrauch klarzukommen. "Was Freier einer Hure antun, ist krass. Aber dass unsere Gesellschaft so tut, als wäre Prostitution in Ordnung, ist fast noch schlimmer." Sie fordert deshalb die Abschaffung der Prostitution.
Organisationen sind sich uneins
Auch die Frauenzentrale unterstützt die Motion. "Prostitution ist als System zu verstehen, dem Gewalt inhärent ist und das ein Hindernis für die Gleichstellung der Geschlechter darstellt", sagt Co-Geschäftsführerin Olivia Frei. Zudem sei die liberale Gesetzgebung in der Schweiz attraktiv für den Menschenhandel und erschwere die strafrechtliche Verfolgung. "Mit dem nordischen Modell steigt das Risiko für die Menschenhändler und es macht ihr Geschäft weniger lukrativ."
Gegen die Motion sind ProCoRe, das nationale Netzwerk zur Verteidigung der Interessen von Sexarbeitenden, die Aidshilfe und Sexuelle Gesundheit Schweiz. "Der Vorstoß ist sehr realitätsfern und schadet den Sexarbeitenden", sagt Rebecca Angelini, Geschäftsleiterin von ProCoRe. Das Modell würde Sexarbeitenden die Existenzgrundlage entziehen und sie in die Illegalität treiben. Keine einzige der ihnen bekannten Sexarbeitenden wünschte sich ein Sexkauf-Verbot. Denn sie leben von diesem Job und haben sich aus verschiedenen Gründen bewusst dafür entschieden, sagt Angelini.