Rätselhafter Effekt
Seit der Corona-Pandemie setzt die Pubertät früher ein
Mediziner beobachten seit einigen Jahren, dass die Pubertät bei Jugendlichen immer früher kommt. Auch die Corona-Pandemie soll damit zu tun haben.
Die Pubertät setzt immer früher ein, sind sich Forscherinnen und Forscher weltweit einig. Seit einigen Jahren beobachten das Mediziner. Die Gründe dafür sind vielseitig. Unter anderem können Handys und Displays verantwortlich dafür sein. Wie eine neue Studie zeigt, soll aber auch die Corona-Pandemie eine Rolle dabei spielen.
Pubertätsbeginn seit 50 Jahren immer früher
Die Leiterin der Studie, Professor Bettina Gohlke, Expertin für Kinderhormone am deutschen Universitätsklinikum Bonn (Nordrhein-Westfalen), sagt: "Es wurden 20 bis 30 Prozent mehr Fälle verfrühter Pubertät erfasst." Dies sei weltweit registriert worden. Demnach bestätigen Daten aus Europa, China und den USA den Trend.
Daten eines Forschungsteams um Gohlke zufolge ist das durchschnittliche Alter bei Pubertätsbeginn bei Mädchen seit den 70er-Jahren um etwa drei Monate pro Jahrzehnt gesunken. Bei Jungen sei die Entwicklung ähnlich. Das Alter am Pubertätsende hingegen verschob sich in den vergangenen 50 Jahren nicht – die Pubertät dauert also im Mittel länger als früher. Kaum verändert hat sich auch das durchschnittliche Alter bei der ersten Regelblutung.
Übergewicht, Stress, Isolation
Während der Corona-Pandemie haben wegen Schulschließungen und Homeoffice die Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht. Und somit haben sie auch Veränderungen schneller bemerkt. Die "Pubertas praecox", die verfrühte Pubertät, tritt bei Mädchen vor dem 8. und bei Jungen vor dem 9. Lebensjahr auf, wie die "Bild" schreibt.
Auch ein Faktor könnte die höhere Belastung durch Stress und Isolation gewesen sein, so Gohlke. Frühere Studien haben gezeigt, dass Kinder in solchen Situationen körperlich früher reifen können. Ein weiterer Punkt: Übergewicht. Viele Kinder haben während der Pandemie mehr gegessen und sich weniger bewegt. Bekannt ist, dass Übergewicht als wichtiger Faktor für eine frühe Pubertät gilt. Im Fettgewebe entstehe dann vermehrt der Botenstoff Leptin, der die Pubertät vorantreibt. Je dicker ein Kind, desto früher entwickelt es sich also zum Erwachsenen.
Daten zu Langzeitfolgen fehlen
Diskutiert werden unter Experten auch mögliche Langzeitfolgen wie ein höheres Risiko für bestimmte Krankheiten – gesicherte Erkenntnisse fehlen aber. "Richtig gute Daten zu Langzeitfolgen gibt es nicht", sagt Gohlke. Kommen Kinder verfrüht in die Pubertät, kann diese mit so genannten "Pubertätsblockern" medikamentös verzögert werden.
Auf den Punkt gebracht
- Eine neue Studie zeigt, dass die Pubertät bei Jugendlichen immer früher einsetzt, und die Corona-Pandemie könnte dabei eine Rolle spielen
- Laut der Leiterin der Studie, Professor Bettina Gohlke, wurden weltweit 20-30% mehr Fälle von vorzeitigem Pubertätsbeginn festgestellt, wobei Daten aus Europa, China und den USA den Trend bestätigen
- Die Pandemie und damit verbundene Schulschließungen und Homeoffice-Erfahrungen könnten zu diesen Veränderungen beigetragen haben
- Übergewicht und Stress durch Isolation wurden ebenfalls als Faktoren für die frühere Pubertät identifiziert, obwohl Langzeitfolgen noch unklar sind