Welt
Schul-Amok: Polizei unternahm 45 Minuten lang nichts
Nach dem Massaker an einer US-Volksschule kommen immer mehr Details ans Tageslicht. Der zögernde Polizeieinsatz wird ein Fall für die Justiz.
Nach dem Massaker an einer Volksschule im Bundesstaat Texas hat US-Präsident Joe Biden die betroffene Gemeinde Uvalde besucht. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Jill verbrachten sie am Sonntag mehrere Stunden mit Angehörigen der Todesopfer und mit Überlebenden des Amoklaufs. Das Zusammenkommen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Neben Diskussionen um den Zugang zu Schusswaffen steht auch die Polizei unter Kritik, da sie offenbar 45 Minuten zuwartete, ehe sie die Schulklasse stürmte, in der sich der Angreifer verschanzt hatte und in der alle der 21 Opfer waren.
Dramatische Versäumnisse
Die Bidens legten Blumen vor der Schule nieder, an der der 18 Jahre alter Schütze am Dienstag 19 Kinder und zwei Lehrerinnen erschossen hatte – 17 weitere Menschen wurden verletzt. Der Täter wurde am Ende von der Polizei erschossen. Außerdem traf das Paar Einsatzkräfte und besuchte einen Gottesdienst in der Gemeinde, die unter Schock steht und in der sich angesichts dramatischer Versäumnisse bei dem Polizeieinsatz viel Wut breit macht. Das US-Justizministerium will das Vorgehen der Exekutive nun untersuchen.
Kinder rufen um Hilfe, Polizei wartet
Am Freitag hatte die Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas neuen Ermittlungsergebnisse vorgestellt, die fassungslos machen: Demnach waren 19 Polizisten bereits im Gang vor dem Klassenraum positioniert, in dem sich der Amokläufer mit Lehrern und Schülern verschanzt hatte. Die Beamten unternahmen aber mehr als 45 Minuten lang keinerlei Versuche, in den Raum einzudringen und den Amokläufer zu stoppen. Stattdessen warteten sie auf Verstärkung, obwohl Kinder aus dem Inneren des Raumen mehrfach verzweifelt bei der Polizei anriefen, um Hilfe zu bekommen. Erst mehr als 75 Minuten, nachdem der Schütze das Feuer eröffnet hatte, drangen Einsatzkräfte in das Klassenzimmer ein und töteten den Amokläufer.
"Es war die falsche Entscheidung"
Die neuen Erkenntnisse zum Ablauf sorgten für einen Aufschrei, vor allem bei den Familien der Opfer. Mehrere Angehörige warfen der Polizei vor, sie hätten Leben retten können, wenn sie nicht derart lange gewartet hätten. Der Direktor der Behörde für öffentliche Sicherheit in Texas, Steven McCraw, hatte am Freitag selbst eingeräumt, es sei ein Fehler der Beamten gewesen, nicht eher in den Klassenraum einzudringen. "Es war die falsche Entscheidung. Punkt", sagte er. "Dafür gibt es keine Entschuldigung."
Keine rechtliche Konsequenzen für einzelne Polizisten
Das US-Justizministerium kündigte am Sonntag an, das Vorgehen der Polizei zu untersuchen. Der Bürgermeister von Uvalde, Don McLaughlin, habe darum gebeten. Ziel der Untersuchung sei es, einen unabhängigen Bericht über das Vorgehen der Sicherheitsbehörden an jenem Tag zu erstellen und daraus Lehren für andere Attacken zu ziehen. Der Bericht solle am Ende veröffentlicht werden. Um mögliche rechtliche Konsequenzen für einzelne Beamte geht es demnach also nicht.
Der Amoklauf von Uvalde hat die Debatte über eine Verschärfung der Waffengesetze in den USA einmal mehr angefacht. Viele Republikaner sperren sich seit Jahren gegen strengere Regularien. Die USA haben seit langem mit einem gewaltigen Ausmaß an Waffengewalt zu kämpfen. Im Jahr 2020 waren Schusswaffenverletzungen Todesursache Nummer eins für Kinder und Jugendliche in den USA, noch vor Verkehrsunfällen.