Schuldirektorin über 1. Klasse

"Schüler können nicht einmal Stift und Schere halten"

Wie kann das sein? Nach mindestens einem Jahr Kindergarten – die sind Pflicht – mangelt es vielen Erstklässlern an grundlegenden Fähigkeiten.
Michael Pollak
15.09.2024, 16:20

Problemzone Schule. Dramatische Entwicklungen bemängeln Pädagogen bei Erstklässlern. Eine Schuldirektorin einer Volksschule in Wien – sie will aus verständlichen Gründen anonym bleiben – beschreibt, womit sich Lehrer in diesen Tagen herumschlagen müssen.

"Die Kinder werden immer spezieller. Sie lernen grundlegende Sachen nicht mehr im Kindergarten", sagt die Direktorin im Talk mit "Heute".

Kein Deutsch, keine Konzentration

Damit müssen sich Lehrer jetzt herumschlagen: "Viele Kinder wissen nicht einmal, wie man einen Stift oder eine Schere hält."

Es ist für Ältere kaum vorstellbar. Da kommen Sechsjährige in die Schule und können mit Schreibgeräten und Bastelinstrumenten einfach nicht umgehen. "Leider werden diese Fähigkeiten auch innerhalb vieler Familien nicht weitergegeben", so die Direktorin.

Das wohl größte Manko bleiben aber immer noch die mangelnden Deutschkenntnisse. Etwa ein Drittel der Erstklässler in Wien beherrscht die Sprache so schlecht, dass sie dem Unterricht nicht folgen können.

Andere Kinder – so die Direktorin – können sich kaum mehr auf eine einzige Tätigkeit konzentrieren, "das ist ein massives Problem geworden. Das sehen wir auch bei ganz normalen Kindern, egal aus welchem Milieu oder Land sie kommen."

Kinder weinen – Eingewöhnung wie im Kindergarten

Am Anfang des ersten Schuljahres spielen sich vor dem Schuleingang Szenen ab, wie im Kindergarten bei der Eingewöhnung. Die Kinder stehen lange weinend vor ihren Eltern, wollen sie nicht loslassen. "Wir sehen immer mehr Kinder, die sich nicht von ihrer Mama lösen können. Da habe ich jedes Jahr mindestens ein Problemkind", sagt die Pädagogin im Gespräch mit "Heute".

"Da frage ich mich: waren diese Kinder wirklich regelmäßig im Kindergarten? Wird das überhaupt richtig kontrolliert?" Die Schuldirektorin wundert sich, warum man nach einem Pflichtjahr im Kindergarten diese Probleme hat.

Die Schulleiterin steht vor einem weiteren Problem. "Seit Corona stopfen wir nur noch Löcher", spricht sie offene Lehrerposten an. Ihr gehe es im Vergleich nicht schlecht, "doch auch mir fehlen eigentlich drei Lehrer."

"Lehrer von anderen Schulen abgezogen"

Zwei Stellen für Teilzeitkräfte konnte die Frau Direktor nicht besetzen. "Dann geht eine Kollegin ab Ende Oktober in Karenz. Dazu habe ich seit dem ersten Schultag einen wohl längeren Krankenstand."

Kreativ pragmatisch wird das fehlende Personal ausgeglichen, sagt sie: "Auch ich springe stundenweise ein."

Doch sie kennt Schulen, an denen die Lage noch härter ist. "Dort fehlen mehrere klassenführende Lehrer – die bekommen dann Lehrer, die von anderen Schulen abgezogen werden."

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