Rat auf Draht
Schon 11-jährige Mädchen von Suizid-Gedanken betroffen
Vier Gespräche drehen sich täglich bei Rat auf Draht um Suizid. Meist melden sich 15- bis 18-jährige Mädchen, aber sogar 11-Jährige sind betroffen.
Die Zahlen der Beratungsgespräche des psychosozialen Notdienstes Rat auf Draht zum Thema Suizidalität sind weiterhin alarmierend hoch. Allein von Jänner bis Ende August 2024 wurde 751 Mal zu dieser Thematik beraten, davon waren 508 Mädchen und junge Frauen.
"Durchschnittlich führen wir zum Thema Suizid täglich vier Beratungen mit Kindern und Jugendlichen", meint Birgit Satke, Leiterin der Notrufnummer 147 von Rat auf Draht. Vor allem die Altersgruppe der 15- bis 18-Jährigen ist besonders belastet, auf sie entfielen 308 Beratungen. Dahinter folgen die 19- bis 24-Jährigen (182 Beratungen) sowie die sehr junge Gruppe der Elf- bis 14-Jährigen (125 Beratungen).
Akute Belastungssituationen kommen hinzu
"Grundsätzlich sind Menschen eher suizidgefährdet in Phasen, in denen sie große Umbrüche erleben. In der Lebenszeit von Jugendlichen ist viel in Bewegung, der Körper verändert sich sehr rasch und es stehen oft wichtige Entscheidungsprozesse an. Das kann Druck auslösen. Gleichzeitig ist die Impulskontrolle bei Jugendlichen häufig noch geschwächt", erklärt Satke in einer Aussendung.
In den letzten Jahren seien diverse akute Belastungssituationen hinzugekommen, die sich zusätzlich negativ auf die Psyche von jungen Menschen auswirken würden und Suizidgedanken verstärken könnten, wie die Pandemie, der Krieg gegen die Ukraine, der Gaza-Konflikt sowie die Teuerungen und finanzielle Sorgen.
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Social Media als Verstärker
"Bei Jugendlichen kommt häufig hinzu, dass Betroffene durch Social Media den Eindruck haben, andere Gleichaltrige sind glücklicher, haben ihr Leben besser im Griff oder sind 'normaler'. Tückisch sind auch die Algorithmen der diversen Social-Media-Plattformen. Denn wenn diese erkannt haben, dass sich jemand für Inhalte zum Thema psychische Gesundheit interessiert, werden immer mehr dieser Inhalte vorgeschlagen", so die Notrufnummer-Leiterin.
Besonders problematisch seien Inhalte, die eine negative Weltsicht, Selbstverletzung und Suizid glorifizieren würden, ebenso wie Content, der Hilfsmöglichkeiten (z.B.: Therapie, Beratungsstellen oder Medikamente) als nicht wirksam oder nutzlos darstellen würde. "Solche Beiträge und Videos können eine Gedankenspirale in Gang setzen und sich negativ auf die psychische Verfassung auswirken, indem sie Ängste, Schlafstörungen und Suizidgedanken verstärken. Vor allem Mädchen und junge Frauen sind davon besonders betroffen, weil sie sich vermehrt in sozialen Netzwerken aufhalten, sich viel rascher mit anderen vergleichen und ein verzerrtes Selbstbild entwickeln", so Satke.
Professionelle Hilfe holen
Daher sei das Wichtigste, sich jemanden anzuvertrauen, wenn man Suizidgedanken hat. Denn wer mit dem Thema allein bleibt, ist stärker suizidgefährdet als diejenigen, die darüber sprechen. Bei einer akuten Suizidgefährdung sollte man auch nicht zögern und umgehend einen Arzt zu kontaktieren oder sogar die Polizei oder Rettung verständigen, rät Satke.
Offen über Suizid zu sprechen, ist leider immer noch ein gesellschaftliches Tabu: "Eine Enttabuisierung wäre dringend nötig. Menschen müssen ermutigt werden, die meist vorhandenen Signale bei Jugendlichen mit psychischen Belastungen zu erkennen, diese ernst zu nehmen, das Gespräch zu suchen und bei Bedarf professionelle Unterstützungsangebote wie Rat auf Draht zu nutzen", fordert Satke. Auch der Ausbau von Therapieangeboten für Jugendliche wäre wünschenswert.
Suizidgedanken? Hol Dir Hilfe, es gibt sie.
Die Notrufnummer 147 richtet sich ausschließlich an Kinder und Jugendliche. Hier finden sie rund um die Uhr Hilfe und Beistand bei allen herausfordernden Situationen des Lebens – kostenlos und anonym. Mit der Chatberatung steht ein zusätzlicher Beratungskanal zur Verfügung. Info: rataufdraht.at
Auf den Punkt gebracht
- Der psychosoziale Notdienst Rat auf Draht verzeichnet alarmierend hohe Zahlen an Beratungsgesprächen zum Thema Suizidalität, wobei vor allem Mädchen und junge Frauen im Alter von 15 bis 18 Jahren betroffen sind, aber auch bereits 11-Jährige Hilfe suchen
- Die Leiterin der Notrufnummer 147, Birgit Satke, betont die negativen Einflüsse von Social Media und akuten Belastungssituationen wie Pandemie und Krieg auf die Psyche junger Menschen und fordert eine Enttabuisierung des Themas sowie den Ausbau von Therapieangeboten