So gut war deutsche Action nie

Schmuse-Sänger Emilio zeigt jetzt knallhart die Muckis

Der Titel des bisher wahrscheinlich besten deutschen Fighting-Films ist mit "60 Minuten" etwas irreführend, ist er am Ende doch 88 Minuten lang…

Fabian J. Holzer
Schmuse-Sänger Emilio zeigt jetzt knallhart die Muckis
Emilio Sakraya als Octavio und Marie Mouroum als Cosima in the "60 Minuten"
Reiner Bajo/Netflix

Martial Arts-Filme sind definitiv kein Genre, das man schnell mit Deutschland assoziieren würde, aber die filmische Landkarte wird sich ab dem 19. Jänner ändern, wenn "60 Minuten" auf Netflix erscheinen wird. Denn der Streifen von Oliver Kienle ("Bad Banks") ist knallhart und gleichzeitig erstaunlich ästhetisch. Kienle hatte 2020 bereits "Isi & Ossi" gedreht, damals die allererste deutschsprachige Netflix-Filmproduktion überhaupt. Schon damals ließ Kienle sein Drama im Profiboxer-Umfeld spielen. "60 Minuten" steht und fällt im MMA-Milieu, also in der Welt der "Mixed Martial Arts".  

Im Film hat der MMA-Kämpfer Octavio (Emilio Sakraya, "Lieber Kurt") mehr Probleme, als ihm lieb ist: Er braucht dringend Geld und steht gleichzeitig vor einem der entscheidenden Kämpfen seiner Karriere. Aber das ist alles nichts im Vergleich zum Sorgerechtsstreit um seine Tochter. Wegen dem anstehenden Kampf hatte Octavio natürlich komplett verschwitzt, dass an diesem Tag auch noch die Geburtstagsfeier seiner Tochter ist und seine Ex stellt ihn vor eine beinharte Entscheidung: Entweder er tanzt binnen 60 Minuten bei der Kinderfeier an oder sie entzieht ihm das gemeinsame Sorgerecht für die Tochter für immer. Und so lässt Octavio alles stehen und fallen und macht sich auf den Weg zu seiner Tochter. Aber das ist alles andere als leicht…

Kampfszenen in dieser Qualität ist man sonst nur aus Hollywood oder asiatischen Produktionen gewohnt.
Kampfszenen in dieser Qualität ist man sonst nur aus Hollywood oder asiatischen Produktionen gewohnt.
Netflix

Ganz so leicht, wie er das gedacht hat, kann sich Octavio im Film nicht aus dem Staub machen, denn die Mafia hat offenbar jede Menge Geld auf - oder gegen? - ihn gesetzt und würde um alles umfallen, wenn der Kampf nicht stattfinden würde. Während Octavio sich also seinen Weg durch das überraschend düstere und schmutzige Berlin bahnt, versuchen immer mehr zwielichtige Gestalten, Octavio mit Gewalt zum Kampf zu bringen. Aber der aufstrebende Kämpfer wird durch die Angst, seine Tochter für immer verlieren zu können, zu einer schier unaufhaltsamen Kampfmaschine.  Ähnlich wie bei "Lola rennt" mit Franka Potente vor knapp 25 Jahren ist "60 Minuten" ein unglaublich rasanter Wettlauf durch die weniger schönen Seiten Berlins gegen die Zeit. 

Emilio Sakraya hat für die Szenen in "60 Minuten" nicht einfach nur trainiert, er hat sich eigentlich sein ganzes Leben auf diese Rolle vorbereitet. Der 27-jährige Berliner mit marokkanischen und serbischen Wurzeln begann bereits als Kind mit Karate und Kung-Fu. Und mit nur vierzehn Jahren wurde er deutscher Karate-Meister. Seine Martial Arts-Fähigkeiten waren bisher nicht nur in deutschen Filmen und Serien zu sehen. Als Kiano spielt Emilio Sakraya seit 2021 eine der Hauptrollen der dystopischen Netflix-Actionserie "Tribes Of Europe" und er spielte den Kämpfer JC in der spanisch-amerikanischen Serie "Warrior Nun", ebenfalls für Netflix. Als Emilio ist Sakraya auch als Sänger erfolgreich, sein Album "Roter Sand" erreichte in Österreich, Deutschland und der Schweiz jeweils eine Goldene Schallplatte. 

Emilio Sakraya kann auch ganz sanft: Als Sänger in "Ausmacht"…

"60 Minuten" lebt nicht von der Story, denn die war ja in nur wenigen Augenblicken erklärt. Der Film lebt zum einem von Sakraya als angstgetriebene Kampfmaschine, der sich nichts und niemand in den Weg stellen sollte. Und der Film lebt von der grandios inszenierten Action, die durch die ständig tickende Uhr noch nervenaufreibender wird. Dass der Film in Berlin spielt, ist nur Nebensache, die Story könnte überall spielen. Das war sicher auch ein Hintergedanke von Regisseur Kienle, denn "60 Minuten" hat das Zeug dazu, auch außerhalb des deutschsprachigen Raums zum großen Netflix-Hit zu werden.

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