Ein Mandat weniger
Schilling-Effekt: So viel verlieren die Grünen
Laut erster Trendprognose verlieren die Grünen 3,6 Prozentpunkte und kommen auf 10,5 %. Welchen Einfluss der Skandal um Lena Schilling darauf hatte.
Für die Grünen ist diese EU-Wahl eine besondere Zitterpartie. Ihre Spitzenkandidatin Lena Schilling beherrschte dank des Skandals um ihr lockeres Verhältnis zur Wahrheit zwar die Berichterstattung im Wahlkampf – mit 645 Beiträgen war die 23-Jährige laut APA-Ranking die mit Abstand medial präsenteste Politikerin Österreichs. Allerdings haben die Skandale rund um geleakte Chats der Quereinsteigerin im Vorfeld des Urnengangs dafür gesorgt, dass viele Politexperten kräftige Verluste für die Grünen voraussagten.
10,5 % - Grüne gleichauf mit Neos
Bei der EU-Wahl 2019 erreichten die Grünen 14,1 Prozent. Laut der ersten Trendprognose von 17 Uhr im ORF liegen sie heute bei 10,5 %. Das wäre ein Minus von 3,6 Prozentpunkten.
Und die Grünen sind laut erster Trendprognose gleichauf mit den Neos.
Welche Rolle spielte nun Spitzenkandidatin Lena Schilling und der Wirbel um die 23-Jährige für die Wahlentscheidung der Grün-Wähler tatsächlich? Meinungsforscher Peter Hajek hat für ATV/Puls 24 (1.200 Befragte, 4.-8. Juni 2024, max. Schwankungsbreite +/-2,8 %) die Wahlmotive erfragt.
71 % der Grün-Wähler war Schilling-Skandal wurscht
Demnach hat die Causa Schilling 27 % der Grün-Wähler "sehr" (14 %) oder "eher" (13 %) beeinflusst. 34 % sagen, ihre Wahlentscheidung sei durch die Schilling-Affäre weniger beeinflusst worden. Und für 37 % habe es gar keine Rolle gespielt. Heißt: 71 % der Grün-Wähler war die Aufregung um ihre EU-Kandidatin wurscht.
„Manche haben sich dieses Mal schwergetan, grün zu wählen“
Laut der Umfrage war Spitzenkandidatin Lena Schilling für 22 % der Grün-Wähler ein "sehr wichtiges" Kriterium dafür, ihr Kreuzerl bei den Grünen zu machen. Mit diesem Wert belegt die Grüne den letzten Platz im Ranking der Spitzenkandidaten der großen Parteien. FPÖ-Mann Harald Vilimsky zog persönlich am meisten – für 36 % der Blau-Wähler war er ein "sehr wichtiges" Motiv für ihre Wahlentscheidung.
Wahlmotiv Klimaschutz
Haupt-Wahlmotiv der Grün-Wähler war mit Abstand der Klimaschutz. Jeder Zweite (50 %) wählte deshalb Grün. 28 % sagen, die Grünen würden ihre Themen und Werte vertreten. Dass die Partei eine junge Frau mit frischen Ideen als EU-Spitzenkandidatin hat, nennen 9 % als Wahlmotiv. Und je 8 % sind mit der Arbeit der Grünen schlicht zufrieden beziehungsweise sind Stammwähler.
Zwei Mandate
Mit dem Wahlergebnis laut erster Trendprognose würden die Grünen auf zwei Mandate im EU-Parlament kommen. Das wäre um eines weniger als zuletzt. Aber immerhin, die Grünen könnten vielleicht "erleichtert aufseufzen", meinte Politexperte Peter Filzmaier im ORF – denn zumindest das zweite Mandat, dass es ab etwa 8 % gibt, dürfte sicher sein. Am Höhepunkt des Schilling-Skandals schien das zeitweise zweifelhaft.
Spannend werden noch die Vorzugsstimmen. Erhält die Nummer 2 auf der grünen Liste, Thomas Waitz, mindestens 5 % der Stimmen und mehr als Lena Schilling, würde er auf Platz 1 vorgereiht.
Erste Reaktion der Grünen
In einer ersten Stellungnahme sagte der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch: "Manche haben sich dieses Mal schwergetan, grün zu wählen – und sie haben es trotzdem getan, um dem Klimaschutz ihre Stimme zu geben. Wenn es so bleibt, würden wir mit Lena Schilling und Tom Waitz zwei wirkliche Kämpfer im EU-Parlament haben."
Es gebe nichts schönzureden, "ein Minus ist ein Minus", so Rauch. Aber es sei ein Ansporn, bei der Nationalratswahl im Herbst wieder vorne dabei sein zu wollen. Ob es Konsequenzen in der Parteiführung geben werde? Rauch: "Natürlich wird das alles bei uns aufgearbeitet. Aber wir richten den Fokus jetzt nach vorne. Nach Rechtsruck in Österreich dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen."