"Rechtswidrig inhaftiert"
Scharfe Kritik gegen griechische Flüchtlingsunterkünfte
Amnesty erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU-finanzierten Flüchtlingslager auf der Insel Samos. Demnach herrschen dort unmenschliche Bedingungen.
2020 wurde das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos verwüstet. 276 Millionen Euro investierte die Europäische Union für neue Zentren und gab an, besser Bedingungen für die Menschen zu schaffen.
Auf den Ägäis-Inseln war jenes auf Samos das erste und wurde 2021 eröffnet. In den sogenannten "Closed Controlled Access Centers" sollen Geflüchtete bis zum Entscheid ihres Asyl- oder Abschiebeverfahrens leben.
Gefängnis statt Unterkunft
Amnesty International übt in einem am Dienstag veröffentlichtem Bericht scharfe Kritik an dem Umgang mit den Geflüchteten. Man fordere die EU auf, Griechenland für "Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen". Die Untersuchung, auf den sich die Vorwürfe stützen, wurde zwischen Dezember 2023 und Juli 2024 durchgeführt. Man habe sich mit Bewohnern, den griechischen Behörden, Organisationen der Zivilgesellschaft sowie UN-Einrichtungen ausgetauscht und getroffen.
Die Bewohner sollen demnach systematisch Freiheitsbeschränkungen unterworfen und bis zu 25 Tage nach ihrer Einreise im Zentrum festgehalten werden. Es komme einer unrechtmäßigen Inhaftierung gleich. Es verstoße gegen das internationale Recht, da eine Haft ausschließlich aufgrund des Migrationsstatus nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig sei. Man habe zudem Beweise, dass die Menschen zum Teil über die zulässige Höchstdauer von 25 Tagen inhaftiert werden – ein Verstoß gegen internationales Recht.
"Unmenschliche" Bedingungen
Amnesty kritisiert zudem "minderwertige Bedingungen" für die Menschen in den Zentren. Zwischen Juni 2023 und Jänner 2024 sei es zu einer Überbelegung gekommen. Ursprünglich war von einer Kapazität von 2.040 Personen die Rede.
Im September 2023 gab es demnach zwar nicht mehr Unterbringungsmöglichkeiten, trotzdem wurde die Kapazität auf 3.650 Menschen erhöht. Etwa einen Monat später lebten dort 4.850 Personen. Es mangelte laut der Menschenrechtsorganisation an Wasser, angemessener medizinischer Versorgung und in einigen Fällen sogar an Betten.
"Wir sind mit psychischen Gesundheitsproblemen konfrontiert. Ich bin vor dem Krieg geflohen. Wir haben Syrien verlassen, um eine bessere Zukunft zu haben [...] und nicht, um hier in unsicheren, unsauberen [Bedingungen] zu leben", wird ein Bewohner im Bericht zitiert.
Keine Blaupause für Asylpakt
Amnesty will verhindern, dass dieser Umgang mit Flüchtlingen als Blaupause für den Asylpakt dient. Dieser sieht nämlich auch Lager für Flüchtende an den Außengrenzen vor. Die EU müsse sicherstellen, dass die Anwendung restriktiver Maßnahmen während der Migrationsverfahren nicht zu einer weit verbreiteten unrechtmäßigen Inhaftierung und anderen Missbräuchen führt.
„Griechenland ist seit langem ein Testgebiet für die EU-Migrationspolitik, die auf der rassistisch motivierten Ausgrenzung von Menschen auf der Flucht an den Grenzen der EU beruht.“
Dies würde die Grundrechte-Standards "radikal untergraben", aber auch menschliches Trauma und Leid an den Grenzen drastisch vergrößern, heißt es. Die Zustände auf Samos würden zeigen, wie strafend, kostspielig und anfällig für Missbrauch dieses Modell sei.
Griechenland weist Vorwürfe zurück
Laut den griechischen Behörden entsprechen die Haftbedingungen in den Abschiebezentren "internationalen Standards". Angaben der EU nach, gebe es eine spezielle Taskforce, die Griechenland unterstütze, die Grenzen zu verwalten, die Aufnahmekapazität und Lebensbedingungen zu verbessern.
"Die neuen Infrastrukturen erhöhen die Sicherheit der Bewohner und des Personals und verbessern die Lebensbedingungen durch bessere sanitäre Einrichtungen, Abwassermanagement und winterfeste Unterkünfte, Erholungsräume mit Computerräumen, Freizeiträumen und Sportplätzen sowie Kantinen, Küchen und Waschräumen", heißt es zu den Umständen in den Lagern.
Auf den Punkt gebracht
- Amnesty International erhebt schwere Vorwürfe gegen die EU-finanzierten Flüchtlingslager auf der Insel Samos, da dort unmenschliche Bedingungen herrschen
- Die Bewohner sollen systematisch Freiheitsbeschränkungen unterworfen und teilweise über die zulässige Höchstdauer von 25 Tagen inhaftiert werden
- Zudem kritisiert Amnesty "minderwertige Bedingungen" – es fehle zum Teil an Wasser, Medizin und Betten
- Die Organisation fordert die EU auf, sicherzustellen, dass man für den Asylpakt keine ähnlichen Verhältnisse schafft