Viel zu teuer

Saudi-Zukunftsstadt "The Line" vor dem Aus?

1,5 Millionen Menschen sollten bis 2030 in der 170 Kilometer langen Megastadt "The Line" leben. Jetzt wurde das Projekt gnadenlos zusammengestrichen.

Nick Wolfinger
Saudi-Zukunftsstadt "The Line" vor dem Aus?
Die 170 Kilometer lange "Mauer-Stadt" The Line soll das Herzstück des saudischen Zukunftsprojekts NEOM werden
- / AFP / picturedesk.com

500 Meter hoch, 200 Meter breit, 170 Kilometer lang, neun Millionen Einwohner – und das auch noch ohne eine einzige Straße, dafür mit Hochgeschwindigkeitszug, Flugtaxis und einer alles und jeden überwachenden Künstlichen Intelligenz (KI). So hat Saudi-Arabiens Premierminister und Königssohn Mohammed bin-Salman vor drei Jahren die "Stadt der Zukunft" namens "The Line" angekündigt.

Das ganze sollte aber letztlich auch "nur" ein Teil eines noch gigantischeren Zukunftsprojekts namens "NEOM" sein. Dieses beinhaltet unter anderem ein Winter-Ressort mit künstlicher Beschneiung in den Bergen, ein luxuriöses Insel-Ressort, einen schwimmenden Hafen und für die Versorgung jede Menge Meerwasserentsalzungsanlagen, Wind- und Solarparks. Ein "Modell für Naturschutz und verbesserte Lebensumstände für die Menschen", so Kronprinz Mohammed bin Salman damals über das Projekt.

"NEOM" soll Saudi-Arabien in eine Zukunft ohne Erdöl führen

Das ganze ist auf eine Fläche im Südwesten Saudi-Arabiens verteilt, die in etwa so groß wie Belgien ist. Es sollte nichts anderes als das Standbein eines Saudi-Arabiens der Zukunft sein, dessen Ölquellen versiegt sind, die den Staat bis heute so reich gemacht haben. Finanziert werden sollte das ganze aus dem saudischen Staatsfonds PIF, der ein Vermögen von nahezu 1.000 Milliarden US-Dollar verwaltet (bestehend vor allem aus Firmenbeteiligungen und Wertpapieren).

Beeindruckende Renderierungs sollen über Fragen der Realisierbarkeit hinwegtäuschen.
Beeindruckende Renderierungs sollen über Fragen der Realisierbarkeit hinwegtäuschen.
- / AFP / picturedesk.com

Die Baukosten wurden zunächst mit 100–200 Milliarden Dollar beziffert. Doch Experten gehen eher vom 10-fachen aus. Alleine die Planierungsarbeiten für das Fundament haben bereits etliche Milliarden verschlungen – und dabei ist noch kein Kubikmeter Beton geflossen.

Städtebaulich von Anfang an fragwürdig

Aus städtebaulicher Sicht spricht eigentlich gar nichts dafür, eine Stadt als eine 170 Kilometer lange Mauer, statt mehr oder weniger ringförmig zu errichten. Durch die enorme Distanz zwischen den unterschiedlichen Adressen würde ein massives Verkehrsaufkommen entstehen, dass die als straßenfrei angekündigte Millionen-Metropole rein mit Flugtaxis (die das Hauptverkehrsmittel innerhalb (!) der verglasten Megastadt darstellen sollten) wohl kaum bewältigen könnte.

Zwar war auch ein Hochgeschwindigkeitszug angekündigt, der das eine Ende mit dem anderen in nur 20 Minuten erreichen können sollte – allerdings nur, wenn es dazwischen keine einzige Haltestelle gibt. Von Strom, Wasser, Müllentsorgung oder Brandbekämpfung in der straßenlosen Stadt mal ganz zu schweigen. Und wer will mitten in der Wüste in einer von KI totalüberwachten, automatisierten Stadt mit Aussicht auf nichts als Wüste leben – bei Preisen, die man sich angesichts des nötigen Aufwands zur Zeit nicht einmal annäherungsweise vorstellen kann? Wie man es dreht und wendet, das Projekt war eigentlich von Anfang an zum scheitern verurteilt.

Visualisierung der 500 Meter hohen 170-Kilomer-Stadt, wie sie eines Tages aussehen soll(te).
Visualisierung der 500 Meter hohen 170-Kilomer-Stadt, wie sie eines Tages aussehen soll(te).
- / AFP / picturedesk.com

Kritik am Herrscherhaus lebensgefährlich

Allerdings wagte es niemand, das dem Premierminister des Königreichs, dem Königssohn Mohammed bin-Salman (38), auch persönlich zu sagen. Zu viele Köpfe sind bereits gerollt, seit Salman de facto die Macht von seinem Vater, König Salman ibn Abd al-Aziz (88), übernommen hat. Außerdem versprach das Projekt, egal ob es jemals fertig gestellt wird, Milliardeneinnahmen für mit dem Königshaus verbandelte Bauunternehmen - und andere Unternehmen kommen für Großprojekte in der Monarchie ohnehin nicht in Frage.

Also stand dem selbstverliebten Alleinherrscher nichts im Wege, sich großspurig als Revolutionär des Städtebaus zu inszenieren – ohne jemals ernsthaft eine ehrliche Meinung tatsächlicher Städteplaner eingeholt zu haben. Denn dann hätte er schon früh bemerkt, dass das Projekt ökonomisch, ökologisch und auch logistisch nicht in dieser Form und in dieser kurzen Zeit realisierbar ist.

Und obwohl Saudi Arabien mit seinem aus jahrzehntelangen Öl-Exporten gespeistem Staatsfonds auf einem riesigen Vermögen sitzt, sind seine Bargeldvermögen deutlich kleiner. Denn das Vermögen des Staatsfonds basiert vor allem auf Aktien, Anleihen und Unternehmensbeteiligungen – die verkauft werden müssten, um das Geld anderswo einzusetzen. Und da der Staatsfonds die Zukunftsversicherung für das Land ist, wenn das Öl eines Tages versiegt ist, wird dieser nicht einfach so aufgelöst. Zumindest so vernünftig ist das Herrscherhaus dann doch.

Bloomberg: Nur 2,4 Kilometer werden gebaut

Ein Bericht von Bloomberg hat vor kurzem aufhorchen lassen. Die Nachrichtenseite will herausgefunden haben, dass das Projekt intern auf 2,4 Kilometer zusammengestrichen wurde und erste Baufirmen bereits Mitarbeiter entlassen, da die Bargeldreserven zu gering sind, um die laufenden Ausgaben zu stemmen. Statt 1,5 Millionen Einwohnern bis 2030 würden jetzt nur noch 300.000 angestrebt – und selbst das scheint unrealistisch. Dennoch: Auch ein 2,4 Kilometer langes Bauwerk mit 500 Metern Höhe wäre immer noch weltweit einmalig – sollte es jemals fertiggestellt werden.

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