"Leider kein Aprilscherz"
Saudi-Arabien übernimmt Vorsitz der UN-Frauenförderung
NGOs erheben wegen ihres Umganges mit Frauen Vorwürfe gegen Saudi-Arabien. Nun bekleidet das Land den Vorsitz in der UN-Frauenförderungskommission.
Saudi-Arabien hat künftig den Vorsitz in der UN-Kommission zur Förderung von Frauen. Die 45 Mitgliedsländer der "Kommission der Vereinten Nationen zur Rechtsstellung der Frau" (CSW) bestimmten den saudischen Botschafter Abdulasis Alwasil am Mittwoch in New York per Akklamation zum Vorsitzenden der nächsten Sitzungsperiode. Das Mandat dauert ein Jahr.
Todesstrafe für Frauen
Im Netz fallen die Reaktionen größtenteils geschockt aus: "Saudi-Arabien wurde gerade zum Vorsitzenden des Frauenrecht-Forums gewählt. Das ist kein Aprilscherz. Leider", schreibt die Menschenrechtsaktivistin Colombe Cahen-Salvador bei X (ehemals Twitter). "Sinnlose Entscheidung", urteilt eine weitere Nutzerin mit Verweis auf den Umstand, dass Frauen in Saudi-Arabien die Todesstrafe drohe und zwischen 2010 und 2021 31 Frauen hingerichtet wurden.
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich am Donnerstag schockiert. Saudi-Arabien ist eine absolute Monarchie, in der das Königshaus mit einer ultrakonservativen Islam-Auslegung herrscht. Es steht im Bericht der Stiftung Weltwirtschaftsforum (WEF) 2023 über die Gleichstellung der Geschlechter auf Platz 132 von 146 Ländern.
"Ein Schock, aber keine Überraschung"
"Für uns ist dies ein Schock, wenn auch keine Überraschung", sagte Natalie Wenger, bei Amnesty Schweiz unter anderem für Saudi-Arabien zuständig. Saudi-Arabien betreibe mit viel Geld eine Imagekampagne, um sich als modernes Land zu präsentieren. "Das sind aber Gesten, die keine Substanz haben." Die Frauenrechte würden dort ständig verletzt. Amnesty hat in einem Bericht gerade den Fall einer Mutter zweier Kinder erwähnt, die während ihrer Doktorarbeit auf der Plattform X (früher Twitter) für Frauenrechte eingetreten war und deshalb zu 27 Jahren Haft verurteilt wurde. Länder, die solche Vorsitze in UN-Kommissionen einnehmen, müssten Vorbildcharakter haben, sagte Wenger. "Deshalb seien wir diesen Vorsitz als tragisch an."
Bei der Sitzung der Kommission hatte der derzeitige Vorsitzende aus den Philippinen den saudischen Botschafter als einzigen Kandidaten vorgestellt. "Darf ich davon ausgehen, dass die Kommission seine Exzellenz Abdulaziz Alwasil aus Saudi-Arabien per Akklamation zum Vorsitzenden der Kommission auf ihrer 69. Sitzung wählen möchte?", fragte er die 45 Mitgliedsländer. "Ich höre keine Einwände. Also ist es so beschlossen." Der Beschluss wurde mit kurzem Beifall bedacht.
Es kam auch aus der Gruppe "Westeuropa und andere Staaten" kein Widerspruch. Die Gruppe ist dort zurzeit mit Österreich, Israel, Liechtenstein, den Niederlanden, Portugal, Spanien, der Schweiz und der Türkei vertreten.