Ukraine

"Russland schneller pleite, als viele glauben"

Der Krieg und die Sanktionen des Westens werden zu einem Wirtschaftskollaps Russlands führen, sagt der Militärökonom Marcus Keupp.

20 Minuten
Ukraine-Krieg: Der russische Rubel befindet sich seit Beginn der Sanktionen im freien Fall.
Ukraine-Krieg: Der russische Rubel befindet sich seit Beginn der Sanktionen im freien Fall.
REUTERS

Die russische Militärinvasion verläuft nicht nach Putins Plan: Ukrainische Streitkräfte und Milizen haben einen schnellen Einmarsch im Land verhindert und die russische Offensive verlangsamt. Fast täglich vermeldet die Ukraine militärische Erfolge. Moskau, das dem Westen erst vor wenigen Tagen bei einer weiteren Einmischung unmissverständlich mit dem Krieg drohte, schlägt plötzlich andere Töne an und will, dass Russland und die USA zum Prinzip der "friedlichen Koexistenz" wie im Kalten Krieg zurückkehren.

Alle aktuellen Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Live-Ticker >>

Ein Grund dafür könnten die Sanktionen des Westens sein, die Russlands Wirtschaft schwer belasten. Am Dienstag hat US-Präsident Joe Biden angekündigt, die Sanktionen gegen Moskau zu verschärfen und Ölimporte aus Russland zu stoppen. Auch die EU will die Abhängigkeit von russischem Gas und Erdöl minimieren. Die US-Bank Morgan Stanley rechnet daher nicht mehr damit, dass Russland seine Auslandsschulden tilgen kann, da dem Land gleichzeitig eine Rezession droht.

"Wir sehen einen Zahlungsausfall als das wahrscheinlichste Szenario an", schreibt Simon Waever, Chefstratege bei der Bank für Staatsanleihen aus Schwellenländern, laut der Nachrichtenagentur Bloomberg. "Ein Zahlungsausfall wie in Venezuela wäre vielleicht der beste Vergleich."

"Abwertung des Rubels wird so weitergehen"

Auch der Militärökonom Marcus Keupp rechnet nicht mit einer Rückzahlung russischer Auslandsschulden. Die Ratingagentur Moody’s habe russische Staatsanleihen bereits jetzt auf die zweittiefste Stufe herabgesetzt. "Eine Stufe tiefer und wir wären bei argentinischen und venezolanischen Verhältnissen." Ein Zahlungsausfall zum jetzigen Zeitpunkt hätte aber rein politische Gründe, sagt Keupp. "Stand jetzt hätte Russland die Devisen noch, um Zinsen und Kapital der im März fälligen Bonds zurückzuzahlen."

Wirtschaftlich werde Putin jedoch bald vor unlösbaren Problemen stehen, sagt der Dozent der Militärakademie (MILAK) an der ETH Zürich: "Seit Kriegsbeginn wurde der Rubel schon 50 % abgewertet, und das wird solange weitergehen, bis der Krieg endet oder Russland bankrott ist."

Mit jedem Tag, den der Krieg länger dauere, werde es für Russland schwieriger, sowohl den Krieg zu finanzieren als auch das Bankensystem stabil zu halten, die Rubel-Abwertung zu bremsen und die westlichen Importe zu substituieren, so Keupp. Nicht einmal zu Zeiten der Sowjetunion sei Russland derart wirtschaftlich isoliert gewesen wie jetzt. "Russland wird schneller bankrottgehen, als viele glauben"

Bankenkrise in Russland

Sollte es der Ukraine gelingen, den Krieg in die Länge zu ziehen und so die Kriegskosten für Russland untragbar hoch zu machen, würde die Lage für Putin noch prekärer, sagt Keupp: "Durch die hohe Inflation werden zahlreiche Russinnen und Russen versuchen, ihr Guthaben in Euros oder Dollar zu wechseln oder außer Landes zu bringen." Das werde innerhalb kurzer Zeit – eventuell schon diese Woche – zu einer Bankenkrise führen. "Russland wäre gezwungen, die Konten seiner Bürger zu plündern, um die Banken zu retten."

1/4
Gehe zur Galerie
    Lange Schlangen vor Bankomaten in St. Petersburg wenige Tage (27. Februar) nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine.
    Lange Schlangen vor Bankomaten in St. Petersburg wenige Tage (27. Februar) nach dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine.
    REUTERS

    Dies wiederum würde jedoch zu heftigen Protesten in der Bevölkerung führen, sagt Keupp. "Wenn der als 'spezielle Militäroperation' maskierte Angriffskrieg zu einem plötzlichen wirtschaftlichen Kollaps des ganzen Landes führt, wird es in Russland ein schockartiges Erwachen geben."

    "Die Waffenlieferungen machen einen Unterschied"

    Wie lange die russischen Kräfte den Krieg – finanziell und militärisch – durchhalten können, sei derzeit noch unklar, sagt Niklas Masuhr, Sicherheitsforscher beim Center for Security Studies der ETH Zürich. "Die Sanktionen und Waffenlieferungen des Westens – insbesondere Panzer- und Flugabwehrlenkwaffen – scheinen definitiv einen Unterschied zu machen." Für ein abschließendes Urteil sei es aber noch zu früh. "Aktuell wäre ich aber skeptisch, allzu positive Schlussfolgerungen aus ukrainischer Sicht zu unterschreiben", sagt Masuhr.

    Zwar stehe Russland unter großem Druck und die Invasion sei anders verlaufen, als sich dies die russische Führung vorgestellt hatte. "Nach der gescheiterten Eröffnung versuchen die russischen Streitkräfte jetzt, sich anzupassen." Inwieweit sie damit erfolgreich sein werden, würden die nächsten ein bis zwei Wochen zeigen, sagt Masuhr. Davon, dass die Ukraine Russland bald besiegt, könne aber nicht die Rede sein. "Die algorithmische Verstärkung auf Social Media und die große Sympathie für die Ukraine im Westen kreiert meines Erachtens ein deutlich positiveres Bild, als es tatsächlich zu sein scheint."

    1/13
    Gehe zur Galerie
      Russland hat für Dienstag (8. März) die Einrichtung mehrerer "humanitärer Korridore" in der Ukraine angekündigt.
      Russland hat für Dienstag (8. März) die Einrichtung mehrerer "humanitärer Korridore" in der Ukraine angekündigt.
      ARIS MESSINIS / AFP / picturedesk.com
      1/65
      Gehe zur Galerie
        <strong>22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar</strong>. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. <a data-li-document-ref="120078758" href="https://www.heute.at/s/einwegpfand-kommt-das-wird-ab-jaenner-neu-bei-spar-120078758">170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.</a>
        22.12.2024: Einwegpfand kommt – das wird ab Jänner neu bei Spar. Um Verwirrung zu vermeiden, setzt Spar ab Jänner auf speziell ausgebildete Pfandberater. 170 Getränkeartikel mussten überarbeitet werden.
        SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger