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Rodionov: "Ich konnte mir von Thiem nichts abschauen"

Jurij Rodionov löste Dominic Thiem als Nummer 1 in Tennis-Österreich ab. Der 22-Jährige geht seinen eigenen Weg: ohne Thiem, ohne Bresnik. 

Martin Huber
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Neue Nummer 1 Rodionov: "Meine Ansprüche sind höher. Das ist kein Ruhmesblatt."
Neue Nummer 1 Rodionov: "Meine Ansprüche sind höher. Das ist kein Ruhmesblatt."
GEPA

"Nein, ich habe keine Zeit!" 

Jurij Rodionov, Österreichs neue Nummer 1 im Tennis, war beim "Heute"-Anruf sehr kurz angebunden.

Der 22-Jährige hatte den Challenger-Sieg in Mauthausen am Sonntag nicht groß gefeiert. Seine Mama fieberte am Muttertag beim Heimsieg erste Reihe fußfrei mit. Gegrillt wurde danach. Nichts Großes. Dann legte Jurij zwei Tage Pause ein. Den Akku aufladen vor den French Open. Am Donnerstag griff er wieder zum Schläger.

Einige Stunden später auch zum Handy. "Entschuldigung. Ich habe trainiert und war im Stress."

In der Weltrangliste liegt Jurij Rodionov seit Montag als 130. exakt 32 Plätze vor Dominic Thiem. Der Wahl-Wiener, der in Favoriten wohnt, ist Österreichs neue Nummer 1 im Tennis. Aber wer genau ist er?

Wurzeln in Weißrussland, nicht schizophren

Rodionov wurde in Nürnberg geboren, mit zwei Jahren kam er nach Matzen im Weinviertel. Seine Eltern stammen aus Weißrussland. "Ich habe mich nie als Ausländer gesehen", sagte er "Heute" einmal. Er fieberte immer schon mit dem rot-weiß-roten Fußball-Nationalteam mit. Am Tennisplatz ist der Linkshänder ein Kämpfer mit variabler Spielanlage, seine gute Rückhand sticht früh heraus.

"Am besten bin ich im Kopf", sagte er "Heute" nach seinem ersten Auftritt bei den Australian Open. Er erzählte davon, wie es ist, in der Spielerschlange beim Essen holen plötzlich hinter Rafael Nadal zu stehen. Kurz später meinte er über sich selbst trocken: "Ich weiß, was ich zu tun habe am Platz, wenn es eng wird. Ich bin nicht schizophren, habe aber zwei Persönlichkeiten: Am Platz bin ich giftig, privat relaxt."

Jetzt ist Jurij der Beste im Land. Was - eh klar - mit dem Handgelenk der Nation von Dominic Thiem zu tun hat.

"Die Nummer 1 von Österreich ist ein Meilenstein. Ich dachte, ich muss in die Top 30 kommen, um eine Chance zu haben. Dass ich die Nummer 1 bin, weil sich Dominic verletzt hat und zurückfiel, trübt das Ganze", sagt er. "Meine Ansprüche sind höher. Es ist bitter, dass es nach fast 30 Jahren keinen Österreicher in den Top 100 gibt. Das ist kein Ruhmesblatt."

Mauthausen sei für ihn der bisher "größte Challenger-Sieg". Fünf Titel der zweitgrößten Tennis-Turnierserie hat er gewonnen: einen 2018, zwei 2020, zwei 2022. "Daheim zu gewinnen, ist einzigartig", stellt er klar. "Die Menschen haben mir Energie gegeben."

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    Tennis-Held Dominic Thiem! Wir zeigen in einer großen Diashow das Leben des rot-weiß-roten Sportstars.
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    Rodionov geht seinen eigenen Weg. Einen ungewöhnlichen als Tennisspieler in Österreich. Wolfgang Thiem und Günter Bresnik sind nicht mehr seine Trainer. In der Akademie von Vater Thiem trainierte er eineinhalb Jahre. Im Herbst 2021 trennten sich die Wege.

    "Es gab Meinungsverschiedenheiten, wo mein Spiel hingehen soll. Ich bin ein Spielertyp, den es nicht so oft gibt auf der Tour. Ich spiele sehr aggressiv, halte die Punkte kurz und habe viele Varianten. Das kam mir zu kurz, wurde zu wenig gefördert", sagt Rodionov. "Die Trennungen haben nichts mit Mut zu tun. Sie spiegeln aber meinen Charakter wider. Wenn etwas nicht funktioniert, muss ich neue Wege gehen."

    Mit Dominic hätte er "ab und zu gemeinsam trainiert". "Wir sind aber zu verschieden, damit ich mir was abschauen kann." Natürlich wären seine Erfolge Ansporn gewesen. "Aber Tennis ist Einzelsport, wegen dem Hype um ihn gewann und gewinne ich nicht mehr Spiele."

    Wechsel von Thiem zu Bresnik

    Rodionov zog einige Kilometer weiter zu Günter Bresnik, der Dominic Thiem 17 Jahre ausbildete und in die Weltspitze führte. "Er kam nach dem Turnier in der Stadthalle. Seine Vorhand funktionierte nicht, jetzt tut sie das", sagt Bresnik zu "Heute"

    Bresnik ist spielerisch angetan von Rodionov. "Er spielt wirklich gut, ist talentiert. Den Schub als Nummer 1 muss er nützen. Wenn er jetzt so weitermacht, dann schafft er die Top 100."

    Bresnik stellt gegenüber "Heute" aber auch klar, dass er es war, der sich von Rodionov trennte. "Da ging es um Grundsätzliches. Wenn etwas so läuft, dann will ich das nicht. Fertig."

    Details seien nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

    Rodionov trainiert aktuell mit Javier Frana. Den Argentinier lernte er als Touring-Coach bei Vater Thiem kennen. Das Duo verstand sich sofort. Frana wird ihn im Sommer auch zu den Turnieren begleiten. In Wien half zuletzt Jürgen Melzer beim Training aus. Ganz wichtig ist Florian Pernhaupt, der alles überblickt und die Fitness verbesserte. 

    "Ich habe in letzter Zeit einen großen Schritt gemacht. Ich bin dank vieler Erfahrungen und Niederlagen reifer geworden, treffe bessere Entscheidungen. Als Person und am Platz. Ich glaube, das hilft mir, die Top 100 zu knacken. Was mir noch fehlt, ist die Konstanz. Das ist mein Knackpunkt. Ich bin aber auch da am richtigen Weg, hab körperlich zugelegt", sagt Rodionov.

    14.000 Euro fix in Paris

    Am Freitag fliegt er nach Paris zu den French Open. Dort bringt eine Erstrunden-Niederlage heuer 62.000 Euro. Rodionov muss in die Quali. Selbst dort wird eine Pleite zum Auftakt mit 14.000 Euro versüßt. Daran denkt er nicht. "Ich bin sehr gut in Form, motiviert und will in Paris so weit wie möglich kommen."

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      "Die Zeit heilt alle Wunden bei Dominic"

      Dass die Nummer 1 ein Ablaufdatum hat, weiß Rodionov. Er rechnet damit, dass Thiem wieder voll in Fahrt kommt. "Die Zeit heilt alle Wunden bei Dominic. Wenn er wieder Vertrauen in seine Hand hat, wird er stark zurückkommen. Ob das zwei, drei Wochen dauert oder sechs Monate, das weiß ich nicht. Ich wünsche ihm das Beste."

      Alcaraz besiegt, die Augen nie vergessen

      Mit Shooting-Star Carlos Alcaraz machte Rodionov auch schon seine Erfahrung. Ziemlich gute. "Ich habe ihn 2019 auf Mallorca geschlagen", erinnert er sich gut.

      "Carlitos" war damals 17, körperlich nicht ausgereift, sein Spiel hatte noch offensichtliche Schwächen. Er spielte eines seiner ersten Challenger-Turniere.

      "Ich kann mich an das Feuer in seinen Augen vor dem Match erinnern. Er hat mich nicht gegrüßt. Das ist nicht negativ gemeint. Er hat mich gar nicht wahrgenommen. Seine Augen schauten ins Leere. Ich habe so etwas ganz selten erlebt", erzählt Rodionov. "Eines war klar: Er wollte gewinnen. Das zeichnet ihn auch heute aus."

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