Skandal auf Sylt
Reich, jung, elitär – das sind die "Prosecco-Nazis"
Auf der Insel Sylt grölen junge Menschen ausländerfeindliche Parolen und zeigen den Hitlergruß. Auffällig ist, um welche Personen es sich handelt.
Ein nur 13-sekündiges Video versetzt Deutschland gerade in eine Art Schockstarre und befeuert Diskussionen rund um Extremismus, die AfD und die Elite: Junge Partygäste grölen auf der Insel Sylt ausländerfeindliche Parolen zum Hit "L’amour toujours". "Ausländer raus, Ausländer raus", singen sie zum Eurodance-Hit von Gigi D'Agostino, ein Mann macht dazu den Hitlergruß.
"Pony" wirbt mit Glamour und Exklusivität
Was den Fall speziell macht: Das Äußere der Feiernden will so gar nicht dem Klischee rechtsgerichteter Protestwähler aus Ostdeutschland entsprechen. Stattdessen ist von "Prosecco-Nazis" – so nannte sie der grüne Politiker Jürgen Trittin – die Rede: weiße Hosen, Merino-Pullis über die Schulter gelegt, Sekt oder Apérol Spritz in den Gläsern.
Das "Pony" in Kampen, auf dessen Terrasse der Clip aufgenommen wurde, wirbt mit Kult, Glamour und Exklusivität. "Hätten wir von dem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus", schrieben die Betreiber des Lokals später auf Instagram.
Für jene Deutschen, welchen die Schickimicki-Insel Sylt schon immer suspekt war, war das Video ein letzter Beweis: Schnösel wählen nicht nur FDP, sondern auch AfD, wie die NZZ bemerkt. Auch Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender Siemens Energy & Daimler Truck, schreibt in einem Linkedin-Post zu den Szenen: Man mache es sich zu einfach, wenn man "bei der Analyse des wachsenden Zuspruchs für Rechte nur auf die einfachen gesellschaftlichen Schichten" schaue.
„Reichtum schützt nicht vor rassistischem Denken“
"Deutschland den Deutschen", singt die junge, reiche Elite. Gut ausgebildet und teilweise selbst schon unternehmerisch aktiv, hetzen sie gegen Migranten. "Dass wohlhabende junge Leute solche Parolen singen, kommt nicht überraschend. Reichtum schützt nicht vor rassistischem Denken", sagt der Literaturwissenschaftler und Rechtsextremismus-Experte Robert Lüdecke zur "Frankfurter Rundschau".
Keine Konsequenzen gefürchtet
Mit solchen Videos, die jetzt vermehrt auftauchen, werde "Volksverhetzung als Spaß oder harmlose Provokation abgetan", ist Lüdecke überzeugt. Überraschend ist für ihn trotzdem, dass diese Leute "ohne jede Hemmungen ihre Gesichter in die Kamera halten, weil sie offenbar gar keine Konsequenzen fürchten und zu ihrem Rassismus ganz offen stehen".