WhatsApp, Telegram & Co.
Regierung will Chats überwachen – Experten alarmieren
Die ÖVP-Pläne zur Überwachung von Messengerdiensten werden immer konkreter. Laut Experten gibt es kritische Sicherheitslücken, die Opposition tobt.
Wie "Heute" am Freitagmorgen berichtete, hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bereits einen konkreten Gesetzesentwurf zur Überwachung von Messengerdiensten – darunter WhatsApp, Telegram oder Signal – vorgelegt.
Ermittler dürfen hacken
Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) fordert schon seit Monaten potentere Mittel im Kampf gegen Spionage und Terrorismus in Österreich. Laut dem neuesten Gesetzesentwurf soll Ermittlern im Gefahrenfall erlaubt werden, die Handys oder Computer von mutmaßlichen Terroristen oder ausländischen Agenten mit einem speziellen Programm zu hacken.
"Technisch nicht möglich"
So viel zu den Plänen. In der Praxis könnte sich die Umsetzung als deutlich schwieriger erweisen: "Alle Expertinnen und Experten sind sich einig, dass es technisch nicht möglich ist, Messenger-Dienste zu überwachen, ohne auf das gesamte System zuzugreifen", kritisiere NEOS-Datenschutzsprecher Nikolaus Scherak in einer Aussendung. Der Politiker verwies auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Jahr 2019, der feststellte, dass ein "Bundestrojaner" verfassungswidrig sei.
Scherak fasste Karners Vorgehen folgendermaßen zusammen: "Entweder kennt der Innenminister weder die Rechtslage noch die Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, oder es ist ihm beides einfach egal."
"Kritische Sicherheitslücken"
IT-Experte und Epicenter.works-Geschäftsführer Thomas Lohninger warnte im Ö1-Mittagsjournal vor "kritischen Sicherheitslücken", die auf Betreiben von Staaten nicht geschlossen würden. Diese könnten von kriminellen und staatlichen Akteuren – Lohninger nennt z.B. Nordkorea – ausgenutzt werden, um "sehr großen Schaden" anzurichten. Spionagefirmen könnten solche Sicherheitslücken ankaufen und an Staaten weiterverkaufen, so der Experte.
Auch in Bezug auf die im Gesetzesentwurf vorgesehene notwendige Anordnung durch das Bundesverwaltungsgericht und die Einbeziehung des Rechtsschutzbeauftragten ist Lohninger skeptisch. Bei einer so hochtechnischen Maßnahme wie dem Hacken von Smartphones gehe es um technische Kompetenz, die in einer unabhängigen Kontrolle gewahrt sein müsse.
Justizministerium skeptisch
Die Grünen fürchten, dass beim Ausnutzen von Sicherheitslücken in den Betriebssystemen der Handys oder einzelner Apps dieselben Einfallstore auch Kriminellen geöffnet werden könnten. Das vom VP-Koalitionspartner geführte Justizministerium lehnt ein Aufspielen von Schadsoftware wegen verfassungsrechtlicher Bedenken bisher ab. Daher gilt eine Einigung zwischen ÖVP und Grünen vor den Wahlen im Herbst als höchst unwahrscheinlich.