AfD-Zulauf

"Regierung verliert mit fatalem Politikstil Vertrauen"

Die deutsche Regierung hat bei der Bevölkerung einen schweren Stand. Ein Politologe erklärt, wieso Vertrauen schwindet und weshalb die AfD profitiert.

"Regierung verliert mit fatalem Politikstil Vertrauen"
Noch nie vertrauten die deutschen Bürger einem Kanzler so wenig wie Olaf Scholz.
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Deutschland steckt in einer politischen Krise: Laut einer Bürgerbefragung im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb) halten nur 27 Prozent der Befragten den Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Um den Bundeskanzler steht es noch schlechter: Noch nie vertrauten die deutschen Bürger einem Kanzler so wenig wie Olaf Scholz. Laut einer Umfrage sind es nur 20 Prozent. Der Chemnitzer Politologe Eric Linhart erklärt, wer für diese Krise verantwortlich ist und wer davon profitiert.

Die Zustimmung zur Ampel-Regierung nimmt rasant ab. Wieso?

Die SPD, die Grünen und die FDP vertreten in vielen Fragen sehr unterschiedliche politische Positionen. Das macht es schwer, Kompromisse zu finden. Das Problem: Die Lösungen, auf die man sich einigt, weichen oft so stark von den jeweiligen Parteipositionen ab, dass am Schluss die Wähler aller drei Parteien unzufrieden sind.

Kompromisse zu finden ist doch eigentlich etwas Gutes?

Ja, aber das wird durch einen fatalen Politikstil verhindert: Andere Mehrparteien-Regierungen handeln Kompromisse intern aus und vertreten sie dann gemeinsam nach außen. Nicht so die Ampel-Parteien. Sie streiten sich öffentlich, so wie sie derzeit agieren, treten sie als Regierung und gleichzeitig als Opposition auf. Das überzeugt keine Wählerinnen und Wähler.

Im Osten glauben 77 Prozent, dass die Regierung überfordert sei. Wo geht das Vertrauen in die Politik verloren?

Das hat viel mit dem beschriebenen Politikstil zu tun. Wenn die Regierungsparteien sich permanent selbst kritisieren, wie sollen ihnen dann andere vertrauen? Was die östlichen Bundesländer betrifft: Dort hatten die Ampel-Parteien, vor allem die FDP und die Grünen, von Beginn an eine kleinere Anhängerschaft als im Westen. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die Ampel im Osten besonders unbeliebt ist.

Kann man von einem Politikversagen der Regierung sprechen?

Die Ampel wird vor allem mit Streit und interner Blockade verbunden – woran sie auch selbst Schuld hat. Das erweckt zumindest den Eindruck einer permanenten Regierungskrise. Von Politikversagen zu sprechen, würde aber zu weit gehen. Die Regierung hat zahlreiche ihrer Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Auch dass wir ohne größere Einschränkungen in der Energieversorgung durch die letzten beiden Winter gekommen sind, ist bei der derzeitigen globalen Lage keine Selbstverständlichkeit.

Inwiefern profitiert die AfD von der Regierungskrise?

Die AfD ist eine populistische Partei. Als solche nährt sie sich quasi von Krisen. Sie macht die Ampelregierung für jegliche Krisen verantwortlich, egal ob sie es ist oder nicht. Gleichzeitig präsentiert sie sich als alleinige Retterin gegenüber diesen Untergangsszenarien. Wenn manche Wähler ausreichend oft mit diesen Botschaften beschallt werden – und das funktioniert über Social Media gut – dann glauben sie diese am Ende. Ein Beispiel ist der Ukraine-Krieg: Die AfD stellt es online so dar, als ob die deutsche Regierung den russischen Einmarsch zu verantworten hätte und mit der AfD sofort Frieden wäre.

Dass zu den zahlreichen aktuellen Krisen und denen der vergangenen Jahre eine Regierungskrise hinzukommt, hilft der Partei.

Im Herbst stehen in mehreren östlichen Bundesländern Wahlen an. Was würde ein Erfolg der AfD für die deutsche Demokratie bedeuten?

Die AfD-Landesverbände, in denen diese Wahlen anstehen, sind nicht nur populistisch, sondern gelten als gesichert rechtsextrem. Diese Einschätzung basiert auf mehreren Gründen: Aus meiner Sicht ist vor allem zentral, dass die AfD demokratische Institutionen und Prozesse verächtlich macht und zu delegitimieren versucht. Ebenfalls steht die Partei nicht vollumfänglich hinter der Unantastbarkeit der Menschenwürde, die im Grundgesetz geregelt ist.

Gewaltkriminalität nimmt zu
Mehrere Studien bestätigen, dass das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung bundesweit rückläufig ist. Bei einer Befragung des Marktforschungsinstituts YouGov von 2023 gaben 51 Prozent an, dass Deutschland im letzten Jahr unsicherer geworden sei. In einer Studie des Bundeskriminalamts (BKA) von 2022 gaben zudem mehr als die Hälfte der Frauen an, nachts nicht in öffentliche Verkehrsmittel zu steigen oder einen Bogen um bestimmte Plätze zu machen.
Gleichzeitig nimmt die Zahl der Gewaltdelikte zu. Im ersten Halbjahr 2023 ist diese um rund 17 Prozent angestiegen, und das vor allem im öffentlichen Raum. Die Gründe sind laut dem BKA die erhöhte Mobilität nach Corona, wirtschaftliche und soziale Belastungen und die hohe Zuwanderung. Zur Migration heißt es, dass viele Schutzsuchende Risikofaktoren aufweisen, die Gewaltkriminalität wahrscheinlicher machen, so zum Beispiel die Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen, die wirtschaftliche Unsicherheit und Gewalterfahrungen.
Bei den Gewaltdelikten ist im Vergleich zum Vorjahr ein stärkerer Anstieg der nichtdeutschen Tatverdächtigen festzustellen. Von solchen Zahlen könnte die AfD profitieren. Das Hauptthema der Partei ist die Migration. Zudem lassen sich Parteifunktionäre immer wieder zitieren, dass man "kriminelle Ausländer im großen Stil abschieben" wolle. Wie die Zahlen des BKA zeigen, fällt der relative Anstieg an deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen im Verhältnis zum Gesamtbevölkerungsanteil aber ähnlich aus.

Was, wenn die AfD in diesen Ländern bald mitregiert?

Das wäre ein Rückschlag für die deutsche Demokratie. Ich vermute aber, dass es nicht so weit kommen wird. Absolute Mehrheiten für die AfD sind bei den Landtagswahlen zwar möglich, aber derzeit eher wenig wahrscheinlich. Und für Koalitionsregierungen fehlen der AfD die Partner.

Die AfD präsentiert sich als echte Alternative. Ist sie das?

Sie hat grundsätzlich ein umfangreiches Parteiprogramm, von dem Teile sicher auch umsetzbar sind. Die Profilierung erfolgt aber in der Regel über wenige Themen: Asyl, Gender-Sternchen, Russland, EU und Kriminalität. Das sind Themen, die für Populisten geeignet sind, denn mit ihnen kann man negative Emotionen aktivieren. Das Anbieten von Lösungen für wichtige Probleme ist nicht ihr primäres Ziel. Das zeigt sich auch daran, dass die AfD diese Themen grundsätzlich bedient, von der Kommunalwahl bis zur Europawahl – unabhängig davon, ob die jeweilige Ebene überhaupt zuständig ist.

Was, wenn die AfD nicht einhalten kann, was sich die Wählerbasis von ihr verspricht?

Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da ich davon ausgehe, dass die AfD dieses Jahr nicht in Regierungsverantwortung kommen wird. Falls doch, gehe ich aber von einem fest aus: Die AfD war noch nie verlegen darin, Sündenböcke zu finden. Sie wird darauf verweisen, dass sie ihre Versprechen nicht umsetzen kann, solange in den anderen Bundesländern und auf Bundesebene andere Parteien regieren.

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