Gewalt an Schulen
Rasten Schüler völlig aus, sollen Eltern Strafe kriegen
Lehrern wird Mord angedroht, Schüler gehen mit Messern aufeinander los. Wien-Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr zu steigenden Schulsuspendierungen.
In Wien-Favoriten soll eine 13-Jährige eine Mitschülerin mit einem Stanleymesser attackiert haben. Das Opfer wurde bei dem Angriff schwer verletzt. An einer anderen Schule berichtet eine Lehrerin über einen kompletten Kontrollverlust und dass von Schulkindern offen mit Mord gedroht werde. Es sind keine Einzelfälle mehr, wie die stark steigenden Zahlen an Suspendierungen zeigen. Alleine in Wien gab es im vergangenen Schuljahr 814 Suspendierungen, die meisten davon betreffen Mittelschulen. Das geht aus einer Anfragebeantwortung von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hervor – vor den Pandemie-Einschränkungen waren es im Schuljahr 2018/2019 "nur" 303.
Experten bereitet nicht nur die steigende Anzahl von Suspendierungen, sondern auch das Geschehen hinter der Zahl Sorgen. So würden die Fälle immer brutaler, die Gewalt exzessiver. Eine Hemmschwelle werde überschritten, die Gewalt kenne keine Grenzen mehr, sagt eine Wiener Direktorin. Der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) nahm dazu am Montagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf Stellung. Es seien "höchst problematische Zahlen", das sei "besorgniserregend", so Wiederkehr. Die Pandemie "hatte große Auswirkungen auf die Jugendlichen", es gebe zudem immer mehr internationale Krisen, die "in den Klassenzimmern stattfinden" würden.
Wohnsitzauflage für Asylwerber
"Das ist so wie das österreichische Schulsystem auch aufgestellt ist", so Wiederkehr dazu, warum gerade in Wien die Zahlen so steigen würden. In Ottakring stehe man vor anderen Herausforderungen als in einer Schule am Wörthersee, so der NEOS-Mann. In Ballungsräumen gebe es andere Gesellschaftszusammensetzungen. Aufgabe sei es, zu zeigen, "an Grundwerte müssen sich alle halten, egal woher sie kommen". "Wir brauchen mehr geregelte Migration", so Wiederkehr, 90 Prozent der anerkannten Asylwerber würden nach der Anerkennung nach Wien kommen. Wiederkehr befürwortete dabei Strafen, aber auch eine Wohnsitzauflage für "drei Jahre im Bundesland, wo sie das Verfahren hatten".
97 sozial-arbeitende Personen für 242.000 Schüler gebe es aktuell in Wien, in den jüngsten drei Jahren sei diese Zahl um 45 Prozent gesteigert worden. Das sei aber "noch nicht das Ende der Fahnenstange", so Wiederkehr. Die Stadt habe auch ein Gewaltschutzpaket auf den Weg gebracht. "Es gibt an jeder Wiener Pflichtschule eine Person, die freigestellt ist für solche Konflikte", verteidigte sich Wiederkehr. Es gehe aber auch "um Grundsätzliches" genauso, man müssen den Unterricht verändern und "ein Fach Demokratie" einführen, damit Schüler lernen würden, wie man miteinander umgehe. 97 Prozent der Pflichtschulen würden zudem Experten von außen wie Polizisten an die Schulen zur Gewaltprävention holen.
Strafen für Eltern bei Suspendierungen
Eltern müssten in die Verantwortung genommen werden, forderte Wiederkehr. Wie beim Schulschwänzen solle es Strafen für die Eltern geben bei Suspendierungen, "wenn Eltern mit dem Lehrpersonal nicht reden". Bisher könne nur die Kinder- und Jugendhilfe eingeschalten werden, da müsse man die ÖVP mit dem Bildungsministerium in die Verantwortung nehmen, das tue er, so der NEOS-Politiker. Time-out-Klassen und Förderklassen mit kleiner Schüleranzahl seien zwei weitere Projekte – zweiteres habe das Ziel, dass die Schüler wieder in den Normalunterricht kämen. Was hält Wiederkehr vom FPÖ-Vorschlag der Herabsetzung der Strafmündigkeit? Ein Gefängnis für Schüler unter 14 sei "nicht altersadäquat", so der Bildungsstadtrat.
Außerschulische Jugendarbeit, etwa in Parks, werde ausgebaut, man habe eine neue Fachstelle für Demokratie eingerichtet, so Wiederkehr. Man müsse die Betroffenen überzeugen und ihre Mitarbeit einfordern. Und der NEOS-Vorschlag einer Verleihung der Staatsbürgerschaft mit damit verbundenem Schwören auf die Verfassung? "Ganz im Gegenteil", das sei kein Populismus, "ich halte das für einen guten Vorschlag", so Wiederkehr. In Wien habe man für das Gelöbnis einen eigenen Festsall eingerichtet, in anderen Bundesländern verstecke man das "im Besenkammerl". Auch in Wien habe es vor der Veränderung ein "kleines Zimmerl" gegeben, das nicht adäquat gewesen sei, so Wiederkehr, nun mache man eine feierliche Zeremonie für den Anlass.