In Trümmern der Notre-Dame

Rätsel um mysteriösen Toten im Bleisarg wohl gelöst

Der Fund galt als Sensation: Nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame hatten Archäologen einen historischen Bleisarg mitsamt Leichnam entdeckt.

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    Notre-Dame in Flammen: Am 15. April 2019 brach in der berühmten Kathedrale von Paris ein Großbrand aus.
    Notre-Dame in Flammen: Am 15. April 2019 brach in der berühmten Kathedrale von Paris ein Großbrand aus.
    REUTERS

    Wer war der mysteriöse Reiter, der unter dem beim Großbrand 2019 eingestürzten Turm der Kathedrale Notre-Dame bestattet war? Diese Frage gab Fachleuten seit der Entdeckung des Bleisargs im Jahr 2020 Rätsel auf. Jetzt meinen Forschende, sie geklärt zu haben: Es könnte Joachim du Bellay, einer der bedeutendsten französischen Lyriker des 16. Jahrhunderts, gewesen sein.

    Am Abend des 15. April 2019 stand die Kathedrale Notre-Dame plötzlich in Flammen – und ganz Paris unter Schock. Zwar konnte die Kathedrale gerettet werden, aber die Schäden waren verheerend. So kollabierte etwa der Vierungsturm. Auch das Gewölbe der Hauptschiffe brach ein. Immerhin: Die Gebäudestruktur konnte weitgehend gerettet werden.

    Darum gab der Bleisarg so lange Rätsel auf

    Nachdem Notre-Dame gelöscht war, wurden Fachleute verschiedener Disziplinen gerufen, um die Schäden zu begutachten. Auch Ausgrabungen fanden statt. Unter anderem im Bereich der Vierung, jenem Ort, wo sich Haupt- und Querschiff des Gebäudes kreuzen. Dort stießen Archäologen im Jahr 2022 auf zwei Bleisärge, in denen sich noch die sterblichen Überreste der Bestatteten befanden.

    Die Identität des einen Leichnams war dank eines Messingschildes schnell geklärt: Es handelte sich um den des Hohepriesters Antoine de la Porte, der 1710 im Alter von 83 Jahren gestorben war.

    Die Identität der zweiten Person blieb jedoch bis heute unklar. Die Gebeine verrieten nur, dass es sich um einen Mann handelt, der bei seinem Tod zwischen 25 und 40 Jahre alt war. Weil sein Skelett für Reiter typische Verformungen aufwies, tauften ihn die Forschenden auf den Spitznamen "le cavalier" – "der Reiter".

    Auf der Spur Joachim du Bellays

    Analysen der sterblichen Überreste zeigten, dass der Bestattete zu Lebzeiten an Knochentuberkulose und chronischer Meningitis gelitten hat. Der zersägte Schädel und die Einbalsamierung deuten auf einen aristorkatischen Status hin.

    All das bringt Éric Crubézy, Professor für biologische Anthropologie an der Universität Toulouse, und sein Team zu dem Schluss, dass es sich bei dem Unbekannten um den französischen Lyriker handeln könnte. "Er erfüllt alle Kriterien", zitiert La-crois.com Crubézy.

    Du Bellay sei ein versierter Reiter gewesen und habe an beiden Krankheiten gelitten. Zudem habe seine Familie zum königlichen Hof und zum engen Gefolge des Papstes gehört. So überzeugt wie er sind jedoch nicht alle.

    Eine Ungereimtheit, zwei Hypothesen

    Ein Punkt gibt auch Crubézy Rätsel auf: Laut schriftlichen Quellen wurde Joachim du Bellay in der Nähe seines Onkels, dem Bischof von Poitiers Jean du Bellay, in der Saint-Crépin-Kapelle von Notre-Dame begraben. "Aber 1758, als dieses Grab geöffnet wurde, wurden keine Überreste des Lyrikers gefunden", zitiert ihn Lepelerin.com. Crubézy kann sich zwei Erklärungen vorstellen: Bei dem Platz in der Kathedrale könnte es sich um eine Übergangsbeisetzung gehandelt haben, die zu einer dauerhaften letzten Ruhestätte wurde. Alternativ könnte er sich vorstellen, dass du Bellays Sarg nach der Veröffentlichung seines Gesamtwerks an den Ehrenplatz verlegt wurde.

    Es gibt noch ein Aber

    Christophe Besnier, Archäologe und Ausgrabungsleiter am Nationalen Institut für präventive archäologische Forschung (Inrap) ist nicht überzeugt: "Einige Elemente stützen diese Hypothese nicht." Insbesondere die Isotopenanalyse der Zähne weise darauf hin, dass die Person im Sarg bis zu ihrem zehnten Lebensjahr in der Region Paris oder in Rhône-Alpes lebte. Joachim du Bellay aber sei in Anjou aufgewachsen.

    Der Direktor des Inrap, Dominique Garcia, hat offenbar weniger Zweifel: "Statistisch gesehen kann es eine weitere unbekannte Person geben, die im selben Alter an der gleichen Krankheit gestorben ist", erklärte er gegenüber dem "Standard", "aber das ist sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich."

    Derzeit ist die Pariser Kathedrale noch geschlossen. Die Wiedereröffnung soll laut aktuellem Plan am 7. Dezember 2024 stattfinden. Ab 8. Dezember ist sie dann wieder für die Öffentlichkeit freigegeben.

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      Auf den Punkt gebracht

      • Archäologinnen und Archäologen entdeckten nach dem Brand von Notre-Dame zwei historische Bleisärge
      • Bislang war nur die Identität des einen Bestatteten klar, die des anderen gab bislang Rätsel auf
      • Nun berichten Forschende, die die sterblichen Überreste analysiert haben, dass es sich bei dem Sarg um den des französischen Lyrikers Joachim du Bellay handeln dürfte
      • 100-prozentige Gewissheit gibt es jedoch noch nicht
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