Wien

Anrainer protestierten wegen Hamster gegen Bau-Projekt

Häuser statt Feldhamster? In der Süßenbrunner Straße muss der Grünraum einem Wohnbauprojekt weichen. Die Anrainer gehen auf die Barrikaden.

Yvonne Mresch
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Alfred (62), Bernhard (57), Heiner (59) und Michaela (61, v.li.) fürchten um ihr Naturparadies durch die "drohende Verbauung der Donaustadt".
Alfred (62), Bernhard (57), Heiner (59) und Michaela (61, v.li.) fürchten um ihr Naturparadies durch die "drohende Verbauung der Donaustadt".
Denise Auer

"Wir sind bewusst ins Grüne gezogen, weil wir nicht mehr in der verbauten Innenstadt wohnen wollten", klagt Alfred (62). Mit der ländlichen Idylle soll aber bald Schluss sein, befürchtet der Anrainer. In dem 8,5 Hektar großen Gebiet westlich der Süßenbrunner Straße zwischen Oberfeldgasse und Breitenleer Straße (Donaustadt) entstehen rund 1.200 Wohnungen, Geschäfts- und Gewerbeflächen – gebaut wird 33 Meter hoch. Die Arbeiten sollen zwischen 2023 und 2024 starten, zwei Jahre später können die ersten Wohnungen bezogen werden.

Anrainer kritisieren: "Stadtentwicklungspolitik ist ein Desaster!"

Die Anrainer sind verzweifelt und bangen um ihr Stück Natur: "Wir haben hier viele streng geschützte Tiere wie Feldhamster, Vögel, Schmetterlinge und Rehe. Im Sommer pflanzen wir Obst und Gemüse auf Selbsternteparzellen", erzählt Bernhard (57). "Gerade in Krisenzeiten wie diesen sind wir abhängig von der lokalen Versorgung." Eine Notwendigkeit sieht er im Projekt der Stadt keineswegs: "Im Vorjahr gab es 4.000 Haushaltsgründungen in Wien, aber 17.000 Wohnungen wurden gebaut. Das Problem ist der Leerstand! Aufgrund dieser vielen und sehr hohen neuen Projekte fragt man sich schon, für wen hier eigentlich gebaut wird!"

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    Das Grün an der Süßenbrunner Straße soll bald Geschichte sein.
    Das Grün an der Süßenbrunner Straße soll bald Geschichte sein.
    Denise Auer

    Im März gründeten Bernhard und Alfred gemeinsam mit Gleichgesinnten eine Bürgerinitiative für den Erhalt der Grün- und Ackerflächen im Bezirk. "Alles wird zubetoniert und die Stadt tut nichts zur Revitalisierung", kritisiert Alfred. "Die Stadtentwicklungspolitik ist ein einziges Desaster!" Hunderte Unterstützer hat die Initiative laut eigenen Angaben bisher, eine nun gestartete Petition erhielt innerhalb von zwei Wochen ganze 2.000 Unterschriften. Für das Projekt mit dem Titel "Quartier Süßenbrunner West" fordern die Anrainer eine Umweltverträglichkeitsprüfung – denn neben der Zerstörung von Grünraum befürchtet man eine massive Lärmbelästigung sowie Schadstoffbelastung. Zudem sei durch die Bauarbeiten künftig kein Grundwasseraustausch mehr möglich und laut Anrainern der Badeteich Hirschstetten in Gefahr.

    Stadt verspricht: "Ökologisch wertvolle Flächen werden nicht bebaut!"

    Um die Bürger einzubringen, startete die Stadt im März eine Dialogausstellung zum Thema. Für Bernhard eine Farce: "Wir können zwar mitreden, aber im Endeffekt ist schon alles beschlossen. Unsere Meinung zählt hier nicht." Auch zahlreiche Versuche der Kontaktaufnahme mit dem Bezirk und der Stadt blieben weitgehend wirkungslos. Anders sieht das die Stadt: Der Flächen- und Bebauungsplan liege derzeit öffentlich auf – Bürger könnten dazu eine Stellungnahme abgeben, die in der Folge bearbeitet und dem Gemeinderat vorgelegt wird. Über die Flächenwidmung entschieden wird erst nach Ablauf der öffentlichen Auflage. "Soweit möglich werden die Ideen und Anregungen in die Planungen aufgenommen", heißt es aus dem Büro von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ).

    Auch hinsichtlich der weiteren Kritikpunkte beruhigt man: Nur der bisher landwirtschaftlich genutzte Streifen an der Süßenbrunner Straße werde bebaut – die zum Teil ökologisch wertvolleren Flächen bleiben oder werden als Park ausgestaltet. "Die Umweltschutzbehörde untersucht das Gebiet vor Baubeginn hinsichtlich geschützter Tier- und Pflanzenarten und legt dann entsprechende Maßnahmen fest. Auch andere Stellen der Stadt, wie das Wildtierservice, sind bereits involviert", heißt es. Die Dachflächen und 20 Prozent der straßenseitigen Fassadenflächen sollen begrünt werden. Die Höhe von 33 Metern erreiche nur eines der Gebäude, das in großem Abstand zu den bestehenden Häusern entsteht. Grund für die Höhe sei "schonender Umgang mit der wertvollen Ressource Boden", so ein Sprecher: "Durch die kompakte Bauweise wird Wohnraum für 2.800 Menschen geschaffen. Würde dieser Wohnraum durch Einfamilienhäuser errichtet, würde die achtfache Fläche benötigt." Eine Beeinträchtigung des Grundwasserhaushalts sei außerdem nicht zu erwarten und auch Urban Gardening wird weiterhin bestehen.

    Bürger wollen weiterkämpfen: "Geht um unsere Natur!"

    Die Bewohner wollen sich nun mit anderen Bürgerinitiativen Wiens zusammenschließen und für den Erhalt des Grünraums kämpfen – ganz nach dem Motto "Nur gemeinsam sind wir stark", wie Bernhard erklärt. Nachbar Alfred überlegt mittlerweile, seine Eigentumswohnung zu verkaufen und aus Wien wegzuziehen – "Irgendwo ins Grüne!" Seine Mitstreiter wollen nicht aufgeben: "Es geht um mehr als nur einen Acker, wir kämpfen um unseren Grüngürtel, unsere Natur!", stellen sie unisono klar.

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