Europawahl
Pflegeheim: Betagter Frau wird Wahlabo aufgeschwatzt
Für eine pflegebedürftige Wienerin soll ungefragt ein Wahlkartenabo abgeschlossen worden sein. Mit ungewollten Folgen, wie ihre Tochter berichtet.
Die Wienerin Brigitte K. (Name von der Redaktion geändert) staunte nicht schlecht als sie erfuhr, dass für ihre pflegebedürftige Mutter ein sogenanntes Wahlabo abgeschlossen wurde – allerdings ungefragt. Ein zusätzlicher administrativer Fehler scheint zur Folge gehabt zu haben, dass die Wahlkarte für die jetzige Europawahl spurlos verschwunden war. Im"Heute" -Gespräch erzählte sie die ganze Geschichte.
Alles begann bereits im Jahr 2022, als sich ihre damals 89-jährige Mutter für rund neun Monate in Kurzzeitpflege in einem Seniorenheim im 10. Bezirk befand. "Es war von Anfang an klar, dass wir meine Mutter wieder zurück nach Hause holen würde, sobald dies wieder möglich wäre. Somit haben wir zu diesem Zeitpunkt zweimal Kurzzeitpflege beantragt", erzählt die Wienerin. Zwischendurch holte sie ihre Mutter aber immer wieder über das Wochenende oder für einzelne Tage zu sich nach Hause. "Zu allen Angelegenheiten, wo eine Unterschrift meiner Mutter nötig war, wurde ich normalerweise hinzugezogen. Das hatten wir mit dem Verwalter des Pflegeheims so vereinbart".
Stimmabgabe in letzter Sekunde
Die betagte Dame war auch am Wahlwochenende im Oktober 2022 wieder einmal zu Besuch bei ihrer Tochter. Sie entschied sich spontan, mit ihrer Familie das Wahllokal im 3. Bezirk aufzusuchen, da sie auch selbst dort gemeldet war. Dort folgte dann die Überraschung, denn man informierte sie, dass ihr die Wahlkarte bereits in das Pflegeheim im 10. Bezirk geschickt worden sei. "Ich habe sofort im Heim angerufen und mich danach erkundigt. Man erklärte mir, dass wie Wahlkarte bei ihnen zur Abholung bereitliege". Da es bereits gegen 16 Uhr war, fuhr der Ehemann von Frau K. mit dem Auto die Wahlkarte holen. So konnte die ältere Dame noch kurz vor Schließung der Wahllokale um 17 Uhr ihre Stimme abgeben.
Wahlkarte war verschwunden
Doch damit nicht genug, denn kurz vor der Europawahl folgte nun der nächste Schock. "Mein Mann, mein Sohn und ich haben pünktlich unsere Wahlinfo erhalten. Da ich meiner Mutter immer wieder ihre Post bringe – sie lebt im selben Haus – fiel mir auf, dass ihre Info ausgeblieben ist". Frau K. habe daraufhin wieder im Pflegeheim angerufen, da sie vermutete, dass die Wahlinfo dort liege. "Man sagte mir, dass nichts für meine Mutter da wäre. Mit dem Verwalter konnte ich die Angelegenheit nicht besprechen, da er scheinbar nicht mehr in dem Heim tätig ist, wie ich ebenfalls in dem Telefonat erfahren durfte".
Ungefragt Wahlkartenabo beantragt
Da ihr das Thema keine Ruhe ließ, kontaktierte sie die für Wahlangelegenheiten zuständige MA 62. "Ich schilderte den Sachverhalt und musste erfahren, dass für meine Mutter ein 'Wahlkartenabo B' beantragt wurde. Noch in ihrer Zeit im Pflegeheim. Dadurch werde ihr immer automatisch eine Wahlkarte an die angegebene Adresse zugestellt", erzählt Frau K. "Ich war schockiert, denn wir haben das Abo nicht beantragt. Ich wurde damals nicht darüber informiert, dass meine Mutter etwas unterschreiben müsse. Ich hörte in dem Moment zum ersten Mal davon".
"Meine Mutter muss wählen dürfen"
Das Wahlreferat informierte Frau K. dass die Wahlkarte für die Europawahl aber auch schon wieder retour geschickt wurde, da es keine Abnehmerin gab. "Und damit endete die Spur, denn die Wahlkarte schien verloren gegangen zu sein". Frau K. war erbost, denn ihre Mutter sollte nicht die Möglichkeit genommen werden, ihre Stimme abzugeben. Alternative gebe es aber keine, denn eine neue Wahlkarte darf aus rechtlicher Sicht nicht ausgestellt werden. Man werde Frau K. aber informieren, sollte sie doch noch auftauchen.
"Als ich gerade dabei war, ein Mail an die FPÖ Liesing zu verfassen, um über den Sachverhalt zu informieren, erhielt ich einen Rückruf der MA 62. Das Abo schien über das Pflegeheim beantragt worden zu sein. Auf einer Kopie des Antrags konnte ich auch die Unterschrift meiner Mutter erkennen. Doch gefragt hat uns niemand!".
Wahlkarte wurde gefunden
Am Mittwochvormittag erhielt die Wienerin dann nochmal einen Anruf der MA 62. "Ich war überrascht, dass die Mitarbeiter des Magistrats der Sache doch so aktiv nachgingen. Und ich wurde informiert, dass die Wahlkarte gefunden wurde. Jetzt kann meine Mutter zum Glück doch noch ihre Stimme abgeben".
Besonders aufgeregt hat sich Frau K. über die Tatsache, dass sich in dem Pflegeheim scheinbar niemand um die administrativen Angelegenheiten kümmern würde. "Wenn jemand in Kurzzeitpflege ist, muss man doch beim Auszug darauf achten, dass alles wieder um- oder abgemeldet wird. Bzw. sollte überhaupt vorab mit den verantwortlichen Angehörigen gesprochen werden. Ältere Menschen werden sonst einfach um ihre Möglichkeit gebracht, bei so wichtigen Wahlen ihre Stimme abzugeben".
Wiener FPÖ-Chef befürchtet Manipulation
Auf "Heute"-Anfrage äußerte sich auch der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp zum Vorfall: "Dieser Fall zeigt, dass die Kontrollmechanismen bei Wahlkarten gerade in Alten- und Pflegeheimen optimiert werden müssen. Es kann nicht sein, dass Wahlkarten gesammelt und en bloc von einem Betreuer abgegeben werden, denn leider schafft das Raum für Manipulation."